Das Mucha Quartett spielte für Contrapunkt Ian Wilsons Streichquartett in fretta, in vento. Im Interview sprachen sie mit Alexander Fischerauer über ihre Projekte, ihr Repertoire sowie ihre Zusammenarbeit als Quartett.
Wie lange spielen Sie schon als Quartett zusammen?
J. Tomka: Das Quartett wurde im Jahr 2003 am Konservatorium Bratislava gegründet. Von Anfang an dabei waren der Cellist Pavol und ich selbst. In der jetzigen Besetzung spielen wir seit 2009.
Was sind ihre derzeitigen Projekte?
Gerade konzentrieren wir uns auf unser Studium und auch Solo Konzerte, die sehr wichtig für ein hohes spielerisches Niveau des Quartetts sind. Wir sind für einen internationalen Wettbewerb für Streichquartett in Kanada angemeldet. Wenn die Vorauswahl erfolgreich ist, nehmen wir dort im August 2013 teil. Außerdem haben wir viele Konzerte in der Slowakei, unserem Heimatland. Wir planen auch einige Konzerte in Deutschland. Für die nächste Saison 2013/2014 bereiten wir uns für ein Konzert beim Bratislava Musik Festival und ein Rezital im Wiener Musikverein vor.
Haben Sie ein präferiertes Repertoire?
A. Matis: Wir spielen das für Streichquartett charakteristische Repertoire, von der Wiener Klassik bis zur Moderne. Wir interessieren uns im Bereich der zeitgenössischen Musik besonders für slowakische Komponisten, weil diese in Europa nur wenig bekannt sind. Das Publikum in der Slowakei kennt moderne Musik noch weniger als z.B. in Österreich. Daher ist es uns ein besonderes Anliegen, diese bekannter zu machen.
P. Mucha: Es gibt in der Slowakei zeitgenössische Konzerte, in denen der Großteil des Publikums aus den Komponisten selbst besteht.
J. Tomka: In neuer Musik ist vieles nicht selbstverständlich wahrnehmbar; es ist nicht so transparent wie Haydn oder Mozart. Für eine DVD-Aufnahme spielten wir Haydn, Ravel und Schostakowitsch. Mit Haydn waren definitiv die größten Schwierigkeiten verbunden, eben wegen der Transparenz.
A. Matis: Konkret besteht unser derzeitiges Repertoire vor allem aus Stücken von Haydn, Schubert, Beethoven, Dvorak und Schostakowitsch.
Das Streichquartett in fretta in vento war Ihr erstes Stück des zeitgenössischen Komponisten Ian Wilson. Wie stehen Sie nach der Aufnahme zu dieser Musik?
J. Tomka: Sie gefällt uns sehr gut. Nachdem wir das Stück für die Produktion mit Contrapunkt sehr gut einstudiert haben, möchten wir es jetzt auch gerne in unser Konzertprogramm aufnehmen. Eine große Herausforderung bei dieser Musik ist es für mich, über der enormen melodischen Ausdruckskraft nicht die rhythmische Genauigkeit aus den Augen zu verlieren.
V. Prokešová: Falls Wilson noch weitere neue Quartette komponiert, sind wir auf jeden Fall interessiert daran, diese zu spielen.
Gibt es einen favorisierten Komponisten in Ihrem Programm?
V. Prokešová : Wenn wir einen Lieblingskomponisten bestimmen würden, wäre es wahrscheinlich Schostakowitsch. Seine Musik steht uns sehr nahe. Wir lernen sehr viel von seiner Musik…
A. Matis: In Bratislava gibt es eine ausgeprägte Kultur für die Interpretation russischer Musik. Gerade bezüglich Schostakowitsch erhielten wir dort sehr vielseitige Anregungen. In Wien hingegen lernen wir sehr viel über die klassische und romantische Musik, z.B. Franz Schubert. Es gibt hier viele erfahrene Professoren, und wir haben die Gelegenheit mit ihnen zu studieren. Vor Wien spielten wir Haydn ein bisschen wie Dvorak. Das hat sich danach drastisch geändert…
Wie arbeiten Sie zusammen? Wie werden Meinungsverschiedenheiten geregelt?
J. Tomka: Kammer-Musik ist für mich ein demokratisches System. Wir versuchen Lösungen zu finden, mit denen alle einverstanden sind. Manchmal ist es nicht einfach aus vier verschiedenen Meinungen eine Lösung zu finden und zum Punkt zu kommen. Wir probieren alles aus und einigen uns am Ende auf etwas. Jeder von uns sagt, was ihm wichtig ist. Als Leiter versuche ich einen Entscheidungsprozess zu motivieren und herbeizuführen.
A. Matis: Man muss im Quartett einen Ausgleich zwischen Demokratie und einer schnellen, effektiven Probentechnik herstellen.
Sind die Entscheidungen dann endgültig?
Ganz und gar nicht. Manchmal ändern wir nach Konzerten noch einmal unsere Meinung und modifizieren dann unsere Interpretation. Wenn wir proben, versuchen wir z.B. drei Versionen und entscheiden uns dann für die beste.
V. Prokešová : Man lernt auch an jedem Stück dazu. Z.B. spielen wir ein Mozart Quartett seit Jahren, und in jedem Konzert gestalten wir noch etwas anders. Es ist jetzt immer noch nicht die beste Version. Man wächst an einem Stück…
Gibt es auch Aktivitäten außerhalb des Quartetts?
J. Tomka: Da wir teilweise in Wien, teilweise in Bratislava studieren, bleibt nicht viel Zeit für andere Aktivitäten. Wir arbeiten viel zusammen, ab und zu unternehmen wir aber auch etwas.
V. Prokešová: Ich finde, das Wichtigste in einem Streichquartett ist das gute Verhältnis untereinander. Meine Kollegen sind für mich gleichzeitig auch sehr gute Freunde.
Sie sind die einzige Frau in der Gruppe…
Ich habe mich hier von Anfang an sehr wohl gefühlt. Es macht einen großen Unterschied aus, wenn schon eine Frau dabei ist.
P. Mucha: Wir haben seit dem Beginn immer mit einer Frau im Quartett gespielt und das hat sehr gut funktioniert. Eine kurze Zeit waren wir nur Männer; das hat allerdings gar nicht gut geklappt… (lacht)
Das Interview führte Alexander Fischerauer am 27.02.2013.
Lesen Sie für genauere Informationen hier den Artikel zur Künstlervorstellung des Mucha Quartetts.
Hier finden Sie die Aufnahmen des Mucha Quartetts für die 08. Ausgabe von Contrapunkt.
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