Frau Magdalena Anna Hofmann, Sie sind als Sängerin in Österreich und im Ausland viel beschäftigt. Was sind Ihre aktuellsten Produktionen?
Zur Zeit singe ich im Rahmen des Puccini Plus-Festivals zwei Produktionen in Lyon, es wird jeweils ein Stück des Trittico mit einem Zeitgenossen kombiniert. Ich wurde für Schönbergs Von heute auf morgen sowie Hindemiths Sancta Susanna engagiert.
Vor ungefähr einem Jahr haben Sie das Stimmfach vom Mezzosopran zum jugendlich-dramatischen Sopran gewechselt. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Das war eigentlich eher Zufall. Bei der Wozzeck-Produktion der Wiener Festwochen kam meine liebe Kollegin Angela Denoke bei den Proben auf mich zu und meinte, ich wäre vielleicht doch ein Sopran. Sie hat mich dazu überredet, ein paar Sopran-Arien auszuprobieren. Am nächsten Tag habe ich mich vor der Wozzeck-Generalprobe drei Stunden lang zurückgezogen und fast ein komplettes Sopran-Album durchgesungen! Dabei habe ich gemerkt, dass meine Stimme eindeutig “nach oben” drängt und ich mich in einer höheren Tessitura wohler fühle. Nachdem mein Coach Carol Blaickner-Mayo bereit war mit mir den Fachwechsel vorzubereiten, habe ich sofort und mit viel Motivation und Freude begonnen intensiv daran zu arbeiten. Natürlich ist so ein Fachwechsel auch eine Sache die Mut erfordert. Kann ich mich als Sopran beweisen, Fuß fassen?
Wird die Gesangstechnik bei den Partien Richard Wagners eigentlich spezifisch unterschieden im Gegensatz zu anderen Stimmfächern? Man hört schließlich oft vom „dramatischen Gesang“.
Ich glaube mit einer guten Technik muss man in der Lage sein Alles singen zu können. Jede Stimme funktioniert natürlich anders und hat andere Vorlieben, Stärken und Schwächen. Die Kundry, die ich im Sommer in Tallinn gesungen habe war für mich in dieser Hinsicht ein Glücksfall. Denn die Partie liegt zwischen Mezzo und Sopran; man braucht sowohl die Tiefe und satte Mittellage als auch am Ende des zweiten Aktes Ausdauer in der Höhe.Wenn man da nicht gut mit seinen Kräften haushält, kann es gegen Ende recht mühsam werden. Zum Glück hatte ich eine wunderbare und lange Probenzeit, die mir erlaubt hat, meinen Körper und meine Stimme gut darauf einzustellen, sodass ich mich richtig wohlgefühlt habe mit dieser Partie. Gute Vorbereitung, einfühlsame Regie (Nicola Raab und Ran Arthur Braun) sowie ein Dirigent (Arvo Volmer), der die Schwierigkeit dieses Stückes erkennt und den Sänger unterstützt, helfen da immens.
Sie haben vor Kundry bereits die Venus im Tannhäuser (Bonn) gesungen sowie für diese Ausgabe der Zeitschrift das Gebet der Elisabeth aufgenommen.Wie beurteilen Sie die Religiosität Wagners, die in seinen Kunstwerken Ausdruck findet?
Ich glaube, dass Wagner eine sehr ambivalente Beziehung zur Religion hatte. Es steht sehr oft das Christentum dem Heidentum ambivalent gegenüber. Im Tannhäuser kann man das sehr deutlich sehen: Einfach ausgedrückt steht das Christliche für das Moralische (Elisabeth), das Heidnische für das Unmoralische (Venus). Die Zerrissenheit, die er zweifelsohne selbst in sich hatte, kommt hier stark zum Ausdruck. Der Pilgerchor ist zum Beispiel musikalisch betrachtet ein großer Gegensatz zum Venusberg. Über Wagners Verhältnis zu Religion und auch zum Judentum könnte man ja stundenlang diskutieren… Man merkt wie sehr Wagner versucht hat Emotionen deutlich zu machen um für den Zuhörer verständlich zu sein. Er war immer absichtsvoll und wollte immer etwas ausdrücken. Seine Musik „bohrt“ sich regelrecht in einen hinein. Es ist eine körperliche Erfahrung!
Wie zeigen sich diese Verhältnisse in den Frauenrollen? Sind diese für Sie zeitgemäß?
Das Frauenbild war im 19. Jahrhundert natürlich anders. Bei Wagner ist das Frauenbild in erster Linie positiv besetzt. Die Frau wird zunächst einmal, egal ob auf geistiger oder körperlicher Ebene, begehrt. Das, was häufig als nicht zeitgemäß bewertet wird, ist die Aufopferungsbereitschaft der Frauen. Elisabeth im Tannhäuser opfert sich letzlich um Tannhäuser zu erlösen. Die Frage heute wäre: Welche Frau opfert sich für einen Mann? Wer würde sich heute überhaupt für einen anderen Menschen opfern?
Prägend bei Wagner ist aber auch das Mutterbild. Die Geborgenheit, die glorifizierte Heilige, Reine wird stark mit der Mutter verbunden. Kundry, die Verführerin, lockt Parsifal mit der „Mutterliebe ersten Kuss“. Das ist natürlich sehr böse und berechnend, denn sie weiß ja, dass sie bei Parsifal einen wunden Punkt trifft sobald sie seine „verdrängte“ Mutter erwähnt und ihn dadurch angreifbar macht.
Wie interpretiert man eigentlich solch religiöse Momente wie das Gebet der Elisabeth auf der Bühne?
Das sind immer sehr persönliche Momente. Singen ist ja immer sehr persönlich, aber gerade beim Gebet der Elisabeth empfinde ich sehr stark. Ich denke, es hilft selbst ein religiöses Verständnis dafür zu haben. Wenn man glauben kann, egal ob man Christ, Jude, Buddhist oder Moslem ist, hilft es nicht nur auf der Bühne solche Rollen zu verkörpern sondern ist eine Bereicherung für das Leben an sich.
Sie interpretieren sehr häufig auch moderne Musik, besonders dramatische Werke. Was waren Ihre wichtigsten Produktionen?
Im Moment singe ich ja Schönberg und Hindemith, Mathis der Maler von Hindemith singe ich in Wien kommenden Dezember. In der Vergangenheit habe ich zahlreiche Stücke von Berg, Sciarrino, Henze, Rihm, Glanert und vielen anderen aufgeführt. Die prägendsten waren dabei sicher Phaedra und Der Junge Lord von Henze sowie Bergs Lulu und Wozzeck. In der Kammeroper und der Neuen Oper Wien hatte ich Gelegenheit ein breites Spektrum an zeitgenössischem Repertoire zu erarbeiten.
Aufgrund mangelnder Tonalität ist der Schwierigkeitsgrad beim Erlernen socher Werke sicher nicht zu verachten. Wie läuft die Einstudierung solcher Werke ab?
Das ist bei mir wie ein Ritual: Nach einer kurzen Durchsicht lege ich die Noten erst einmal weg. Irgendwann beginne ich mich mit der Musik zu befassen und bin erstmal schockiert, weil ich sehe, wie schwer es ist. Mit großer Überwindung schaue ich mir dann die ersten Seiten an. Dann beginne ich mit einzelnen Phrasen mit hundertmaliger Wiederholung… Da ist oft Verzweiflung dabei. Meine Pianistin hilft mir immer und mit immenser Geduld dabei, diesen oft langen Weg zu gehen. Dieser Prozess ist aber selten ein Vergnügen. Bis man dahin kommt, Musik zu machen, es zu genießen und zu interpretieren, ist es immer ein weiter und beschwerlicher Weg.
Das hört sich nach einer Menge Arbeit an. Was ist für Sie das Positive an zeitgenössischer Musik?
Sehr Vieles! Man hat im Grunde mehr Freiheiten, da die Musik noch nicht so „ausgeschlachtet“ ist, es nicht so viele Interpretationsvorgaben gibt, wo gesagt wird „das macht man so, das hört man immer so“. Man ist nicht voreingenommen und kann viel persönliches einbringen. Das ist das Schöne an dieser Arbeit. Es gibt unendliche Möglichkeiten für Interpretation!
Somit müssen Sie sich ja eine ganz eigene Art der Interpretation erarbeiten. Was ist Ihnen bei dieser musikalischen Arbeit wichtig?
Man muss sich in eine oft komplizierte Rhytmik mit ständigen Takt- und Tempowechsel, in eine gewisse Tonalität einfinden, auch wenn keine vorhanden ist. Strukturen finden wo sie nur schwer zu erkennen sind. Die unglaublichen Intervalle und Tonfolgen erscheinen uns oft wahllos. Es hilft sehr wenn man es wie eine Kantilene singt, letztendlich sind es ja auch Melodien. Dafür nehme ich gerne in Kauf, dass der eine oder andere Ton nicht stimmt, bevor ich beginne nur einzelne Töne zu singen. Denn dann erschließt es sich auch dem Zuschauer nicht. Es gibt aber auch viele Komponisten die ein wenig „gnädiger“ in ihrem Schwierigkeitsgrad waren bzw sind…
Wie ist denn das Verhältnis vom Publikum zur zeitgenössischen Oper?
Die moderne Oper hängt oft sehr vom Regiekonzept ab, weil die Musik für sich und auf ersten Blick einen nicht so trägt wie viele klassische Stücke. Ich schätze Schönberg z.B. sehr, aber es ist nunmal so, dass sich die Musik einem nicht sofort erschließt. Und das ist wohl das größte Problem für den Zuhörer, man lernt es oft erst dann lieben, wenn man es besser kennt und öfter gehört hat. Der Mensch strebt ja nach Harmonie…
Sie scheinen ein ambivalentes Verhältnis zu dieser Kunst zu haben…
Bei der Einstudierung leide ich oft sehr, da kommt bei mir auch kein schöpferischer Prozess. Ich bin unter Stress und Spannung. Bei den Proben dann lerne ich es zu lieben und habe große Freude daran. Dieser Prozess spielt sich bei anderen Stücken anders ab.
Abschließend, Ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Musik in Kürze zusammengefasst?
Ich hatte anfangs gar keinen Bezug dazu, habe aber bereits im Studium viel gemacht in dieser Richtung und sogar Wettbewerbe für zeitgenössische Musik mit Erfolg gemeistert. Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, anfangs vielleicht ein bisschen wider Willen. Es ist auf jeden Fall ein wesentlicher Teil meiner beruflichen Laufbahn. Ich kenne auch viele Sänger, die das komplett ablehnen und nicht machen. Das ist heutzutage aber allerdings recht schwierig, man kann und sollte sich dem auch nicht entziehen. Es gibt ja so viel wunderbare und spannende Werke zu entdecken wenn man sich nur darauf einlässt!
Hier können Sie einen Lebenslauf der Künstlerin einsehen.
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