Ein analytischer Versuch über Schumanns Die Lotosblume, op. 25 Nr. 7

Heinrich Heine – Die Lotosblume

Die Lotosblume ängstigt
Sich vor der Sonne Pracht,
Und mit gesenktem Haupte
Erwartet sie träumend die Nacht.
Der Mond, der ist ihr Buhle,
Er weckt sie mit seinem Licht,
Und ihm entschleiert sie freundlich
Ihr frommes Blumengesicht.
Sie blüht und glüht und leuchtet,
Und starret stumm in die Höh’;
Sie duftet und weinet und zittert
Vor Liebe und Liebesweh.

Vieles wurde in diesem Jahr über den Jubilar Robert Schumann gesprochen und publiziert. Eine große Zahl biographischer, interpretatorischer und analytischer Verlautbarungen befassten sich mit Person und Werk einer der faszinierendsten Komponistengestalten des 19. Jahrhunderts. Zu Jubiläen richtet sich das Rezeptionsinteresse im Allgemeinen auf neue Erkenntnisse über Musik, auf wissenschaftlich noch nicht Ergründetes, auf zuvor nicht behandelte Themen – die musikalische Analyse widmet sich bevorzugt denjenigen Objekten und Aspekten, die als singulär, idealtypisch oder zukunftsweisend erkannt werden und deshalb ergiebig erscheinen. Mit diesem Text möchte ich einen anderen Weg beschreiten und ein Musikbeispiel behandeln, das als unspektakulär, geradezu konventionell angesehen werden mag, zugleich aber in besonderer Weise repräsentativ und charakteristisch ist: Schumanns Vertonung von Heinrich Heines Gedicht Die Lotosblume für Singstimme und Klavier.

Das Beispiel entstammt dem Liederkreis Myrthen, einer Sammlung von sechsundzwanzig kurzen Stücken für Singstimme und Klavier, die Schumann für seine Braut Clara als Hochzeitsgeschenk komponierte und ihr zur Trauung am 12. September 1840 überreichte. Die Myrthen entstanden gemeinsam mit einer Fülle anderer Vertonungen während des „Liederfrühlings“ zwischen Januar und April 18401 und erschienen Ende August 1840 als op. 25 beim Leipziger Verlag Kistner. Gemeinsam mit dem gleichzeitig komponierten und kurz zuvor veröffentlichten Heine-Liederkreis op. 24 sind sie Schumanns erste Publikationen von Liedern. Das Opus besitzt „weniger den Charakter eines festverbundenen Zyklus als […] den eines eher locker gefügten Lieder- Albums“2; abgesehen von der tonalen Identität des Anfangs und Schlusses (beide Lieder stehen in As-Dur) fehlen der Sammlung „einheitsstiftende musikalische Faktoren“3.Neun verschiedene Autoren kommen zu Wort: deutsche Lyrik von Rückert, Goethe, Heine und Mosen trifft auf Texte einiger englischer Dichter.Die blühende Vielfalt in der Textauswahl der Myrthen lässt die Musikwissenschaft zu Metaphern aus der Botanik greifen – die Autoren sprechen von einem „bunten Brautstrauß“ oder von einem „Kranz“ aus der „bunten Fülle einzelner Blumen“4, deren lockere, den Anlass ihrer Auswahl widerspiegelnde Zusammenfügung als Sinnbild für den feierlichen Verwendungszweck der Musik dienen mag. Ob die Texte auch inhaltlich als Symbol für die gegen immensen Widerstand durchgesetzte Verbindung des Musikerpaares Clara und Robert stehen können5, vermag hier nicht erörtert zu werden.

Form, Syntax und Rhythmik

Die Lotosblume ist das siebte Lied der Sammlung: eine Miniatur von etwa zwei Minuten Spieldauer, überschrieben mit der Tempobezeichnung Ziemlich langsam. Die drei vierzeiligen Strophen von Heines Gedicht, erschienen 1827 im Lyrischen Intermezzo aus dem Buch der Lieder, werden ebenmäßig, ohne jegliche Dehnungen oder Erweiterungen, in einer einteiligen musikalischen Form vertont. Schumann verzichtet auf eine motivische Reprise; Gedicht wie Lied sind jedoch so klar gegliedert, dass die ursprüngliche strophische Anlage stets erkennbar bleibt. Jede Zeile ist jeweils durch Pausen von der folgenden Zeile abgesetzt6 und nimmt den Raum von zwei Takten ein; hinzu kommen ein Einleitungstakt und die wiederholte Schlusszeile, so dass sich aus 12 Zeilen insgesamt 27 Takte ergeben. Auch die musikalische Syntax ist vollständig von der lyrischen Metrik abgeleitet. Das 6/4-Metrum eignet sich ideal zur Vertonung der Heine’schen Volksliedstrophen: komponiert werden überwiegend dreihebige Jamben, die manchmal zu Daktylen erweitert werden – die zweite und dritte Zeile der ersten Strophe bilden eine volltaktige Ausnahme (Takt 4 und 6). Diese beharrliche Regelmäßigkeit im Rhythmus der Singstimme sowie die statischen, erst im vorletzten Takt aufgegebenen Viertel- Repetitionen des Klaviersatzes erwecken einen Eindruck unerschütterlicher Ruhe, bei der kleinräumige harmonische Veränderungen auffälliger hervortreten, als es in einer bewegteren Grundstimmung der Fall wäre.

Größtmögliche Geschlossenheit, sowohl in syntaktischer als auch in tonaler Hinsicht, ist festzustellen: Die Grundtonart F-Dur prägt sowohl die Anfangstakte als auch den zweifach kadenzierenden Schluss. Die erste Textstrophe wird in Periodenform vertont: einem Ganzschluss am Ende des zweizeiligen Vordersatzes (Takt 5) folgt ein weiterer, zur Oberquinttonart C-Dur modulierender Ganzschluss im Nachsatz (Takt 9). Der Zielton c wird dann mediantisch umgedeutet zur Terz der Variantparallele As-Dur, welche die erste Hälfte der zweiten Textstrophe bestimmt. Die ersten beiden, in sich eine ii-V-I-Kadenz formenden Zeilen entsprechen sich musikalisch, lassen den Satz aber unvermittelt zurück nach F-Dur schwenken (Takt 14), ohne eine wirkliche, tonal abgegrenzte Mittelsektion auszubilden. Zweite und dritte Textstrophe werden kadenzlos durch den trugschlüssig anmutenden chromatischen Bassgang c-cis-c verbunden7. In erneuter Korrespondenz des ersten Zeilenpaars der dritten Textstrophe wird, nach und nach schneller, erstmals die Subdominantregion B-Dur berührt (Takt 18): in der Tradition formbildender Harmonik des 18. Jahrhunderts ein Signal für den nahenden Schluss. Die Beschleunigung gipfelt im melodischen Hochpunkt, einem Vorhalt g2-f2, der in der vorletzten Zeile (Takt 23) erreicht wird – zeitgleich mit dem finalen Wiedereintritt der Tonika, welche schließlich durch eine Kadenz mit doppeldominantischem Bassdurchgang h-b befestigt wird. Die beiden Schlusstakte kehren zum tiefen Klavierregister der ersten Textstrophe zurück, welches im Verlauf des Liedes zu Gunsten einer basslosen Mittellage aufgegeben worden war.

Melodische Bewegung

Eine Melodieführung in engen diatonischen Intervallen ist vorherrschend. Abgesehen von wenigen Dreiklangsbrechungen (Takt 16, Takt 24) verlaufen Singstimme und die zeitweise colla parte geführte Oberstimme des Klaviersatzes in schrittweiser Bewegung. Besonders prägnant zeigt sich dies zu Beginn des Liedes: in kleinstmöglichen Intervallen fällt die Singstimme vom Quintton zum Terzton8, der mit der Wechselnote gis kurz unterschritten wird. Die Terz a wird, gleich einer barocken circulatio-Figur, durch die nebeneinanderliegenden Kleinsekunden b-a-gis markant umrahmt. Die zweite Textzeile befestigt die Grundstufe f und verläuft, abgesehen von dem Quartsprung c-f, gleichermaßen linear (Takt 4). Dieses melodische Prinzip wäre nicht so auffällig, würde es nicht im weiteren Verlauf konsequent beibehalten und durch die stetige Rhythmik intensiviert. Über das gesamte Stück ist eine stetige Erweiterung des Tonraums zu beobachten: der Oktavrahmen c1-c2 der ersten beiden Zeilen wird in der zweiten Textstrophe zum des2, später zum f2 erweitert. Hiermit korrespondiert die dynamische Entwicklung der Singstimme, die ab Takt 14 in mehreren, sich nach und nach steigernden crescendi verläuft. Weitere Halbtonschritte prägen den auf die melodische Klimax zielenden Aufstieg zum g2 (Takt 22); chromatische Gänge spielen auch in Bass und Mittelstimmen eine besondere Rolle (Takt 7-8, Takt 24f.). So zeigt sich die Melodik im Ganzen ungeerdet und „in die Höh’“ strebend – es entsteht eine intime, fast zerbrechliche Sphäre, welche in Verbindung mit dem Liedtext einen Hauch von Wehmut gewinnt.

Harmonische Details

Nach der periodisch geschlossenen ersten Textstrophe ist es vor allem die lyrische Mittelpassage, deren raffinierte Akkordfolge die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Schumann gestaltet die Passage des „buhlenden Mondes“ als mediantische Insel, abgegrenzt nicht nur durch ihre Tonalität, sondern auch durch das fehlende Bassregister und das eigens vorgeschriebene pianissimo – hier erklingt für dreieinhalb Takte in stringenter Deutung der Lyrik9 die bei weitem zarteste Passage des Liedes. Bemerkenswert ist innerhalb der zweiten Textstrophe die Reise vom harmonischen Tiefpunkt As-Dur (Takt 13) zum Hochpunkt A-Dur (Takt 17), ein Brückenschlag über acht Stationen des Quintenzirkels, der mit nur vier verschiedenen Binnenakorden bewältigt wird10: As – C7 3 – F – C7 7 – F3 – F5< – B – C7 – A7 3 (Notenbeispiel). Anschließend wird der Übergang zwischen zweiter und dritter Textstrophe musikalisch völlig verschleiert: der Harmonieverlauf würde eine Schlusswendung nach d-Moll ermöglichen, welche jedoch durch zwei chromatisch gereihte Septakkorde umgangen wird. So folgt auf den Quintsextakkord A7 direkt der Terzquartakkord F7 (Takt 17-18), und die Komposition gerät, nachdem sie kurzzeitig in eine Kreuztonarten-Region ausgebrochen war, wieder in den b-Bereich, aus dem jene hervorgegangen war11. Lässt sich die Akkordverbindung über dem Bass c-cis noch trugschlüssig auffassen, so sträubt sich der folgende Schritt cis-c vehement gegen eine solche Deutung – zu vorwärtsdrängend stellt sich die Passage dar, um überhaupt einen Einschnitt empfinden zu können, der Terzquartakkord über c ist Neubeginn und kein Abschluss. Die weiten harmonischen Entfernungen, welche innerhalb der zweiten Textstrophe zurückgelegt werden, legitimiert Schumann durch eine zwingende kontrapunktische Logik der Mittelstimmen, welche als durchaus charakteristisch für seinen Tonsatz gelten kann. Zielakkorde sind häufig keine Ruhepunkte, sondern werden durch eine Sext- oder Quintsextakkordstellung abgemildert und ihrer Schlusswirkung beraubt. Dies gilt sogar für die melodische anabasis am Spannungshöhepunkt des Liedes (Takt 23), die umgehend durch das bis dahin nicht gehörte Ereignis einer Doppeldominante in Frage gestellt wird.

Lyrische und musikalische Aussage

Um den Text vollständig erschließen zu können, muss deutlich gemacht werden, dass die von Heine besungene Pflanze nicht identisch mit der echten Lotosblume (nelumbo) ist, denn nur der so genannte Weiße Ägyptische Lotos oder Tigerlotos, in Wirklichkeit eine Seerosenart (nymphaea lotus), blüht tatsächlich in der Nacht. Diese Eigenschaft ist eine Grundvoraussetzung für die Semantik des Gedichts: der Kontrast hell-dunkel und die symbolische Spannung zwischen Sonne und Mond definieren das lyrische Sujet. Der romantische Topos des Nachtidylls als emotionaler Antrieb wird hier noch weiter differenziert – von entscheidender Bedeutung ist die Personifikation der Blume als ein empfindendes, zu eigener Äußerung und Gemütsbewegung fähiges Wesen. Die Protagonistin flieht die Sonne und öffet sich allein dem Mond; dass es sich beim Ängstigen der Blume nicht um eine echte Gefahrensituation handeln kann, sondern um eine metaphorische Umschreibung der Nachtliebe, wird durch den Aspekt des Träumens sowie die musikalisch konventionelle Gestaltung der ersten Textstrophe evident. Analogien zur nach außen unsichtbaren, jedoch das volle Spektrum menschlicher Zuneigung nachempfindenden Gefühlswelt der Blume können in den ebenmäßigen, sich in Tonraum und Dynamik stetig steigernden Melodiephrasen gesehen werden. Die „Entschleierung“ des floralen Antlitzes findet im erstmaligen Erreichen des tonikalen Spitzentons f2 (Takt 15) eine musikalisch-rhetorische Entsprechung; das „Blühen, Glühen und Leuchten“ steigert sich als melodische gradatio hin zum „Duften, Weinen und Zittern“ und damit zur finalen Klimax der Singstimme. Die poetischen Metaphern ziehen also musikalische Symbole nach sich. In der erwähnten, dem Mondschein gewidmeten Passage erhält die tonal gefestigte Sphäre der Lotosblume einen entrückten Gegenpol; durch das Aufeinandertreffen von As-Dur (der Tonart der tiefen, verinnerlichten Liebe) und F-Dur werden die „Welt des Mondes“ und der Lotosblume in transzendierender Harmonik vereint. Laut Clemens Kühn ist „das Naturbild Chiffre unerfüllbarer […] Sehnsucht; der Mond, in unüberbrückbarer Distanz“ erscheint als „Geliebter der Blume“12. Während letztere als emotional beteiligtes Wesen auftritt, erscheint der „buhlende“ Mond als eine rein pittoreske, in ihrer tonalen und klanglichen Inselhaftigkeit als hypotyposis inszenierte Figur. Sein außerirdischer Zauber könnte musikalisch nicht deutlicher indiziert werden als durch die Wahl einer terzverwandten Harmonie, welche durch den gemeinsamen Ton c, als Vorhalt auch im zwischenzeitlichen Des-Dur (Takt 10) enthalten, mit der Ausgangstonart verbunden wird – „harmonische Anlagen werden zur Metapher“13.Die Atmosphäre dieser Mittelpassage mag der Auslöser für eine Tendenz sein, der Komposition und ihrem Text eine gewisse Schwüle zu unterstellen14, was mir nicht zutreffend erscheint. Eine Auffassung des Gedichts als bloße Stimmungslyrik mag in gewissen Grenzen nachvollziehbar sein, reduziert Heines suggestive Personifizierungen aber auf einen vagen Abglanz. Schumann verfährt in der musikalisch-semantischen Ausgestaltung seines Liedes äußerst konsequent, indem er sämtliche von der Vorlage vorgegebenen Affektnuancen in die Komposition übernimmt. Die Lotosblume lässt sich durch einen vereinfachenden, mitunter auf den ganzen Myrthen-Liederkreis übertragenen Interpretationsansatz nicht erfassen: sie ist mehr als nur eine Darstellung der Liebessehnsucht des Musikerpaares, das hier vermeintlich porträtiert wird.

Notenbeispiel: Robert Schumann, Die Lotosblume, op. 25 Nr. 7, Takte 14 bis 17

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Zusammenfassung

Das Stück ist eines der beliebtesten Produkte von Schumanns erster intensiver Beschäftigung mit der Gattung des Liedes. Die ausführliche Rezeptionsgeschichte und Diskographie belegt allerdings nur seinen Bekanntheitsgrad, nicht seinen ästhetischen Rang – dieser erschließt sich erst einer genaueren analytischen Betrachtung. Aus der Perspektive des Hörers oder Interpreten mag die Lotosblume keine maßgebliche Rolle im Liedschaffen Schumanns spielen, obwohl sich der Komponist dem Gedicht noch ein zweites Mal zugewandt hat15. Der Wert einer analytischen Auseinandersetzung mit dem Klavierlied Die Lotosblume ist exemplarischer, nicht exzeptioneller Natur: ihr Reiz liegt mitnichten im Nachvollzug bahnbrechender kompositorischer Neuerungen, sondern in der behutsamen Untersuchung semantischer Bezüge zwischen Text und Musik, wie sie in deutschen Lyrikvertonungen des 19. Jahrhunderts häufig zu finden sind. Für die analysierende Person ergibt sich, so meine persönliche Erfahrung, ein beträchtlicher emotionaler und intellektueller Zugewinn. Das ästhetische Vergnügen des Hörens wird ergänzt durch einen erweiterten Blick auf kompositorische Strukturen und ein übergeordnetes Verständnis für die den musikalischen und sprachlichen Gestalten innewohnende Symbolik – ein würdiger Zugang zur Musik des Jubilaren im zweihundertsten Jahr nach seiner Geburt.

Links zum Notentext:

Hier können Sie eine Aufnahme des Liedes hören.

lotusblume


1 Vgl. Geck 2010, S. 137. Hier wird die Entstehungszeit mit Anfang Februar bis Mitte März 1840 weiter eingegrenzt.
2 Vgl. Döge 2005, S. 143. Der Autor konstatiert zu den Myrthen, „ein inhaltliches Hervorgehen des einen aus dem anderen und damit ein handlungsmäßig ausgerichtetes Übergehen des einen in das Nächste“ sei nicht evident. Andererseits könne eine dennoch mögliche zyklische Auffassung inhaltlich begründet werden: das Opus sei kein Liederzyklus im Sinne der einem einzigen Dichter gewidmeten opp. 39 oder 48, sondern eine lose Folge von Vertonungen derjenigen Texte, die Robert und Clara angesprochen haben dürften und ihre „damalige Lebenssituation“ spiegelten. Zit. nach Spies 1997, S. 133.
3 Ebd.
4 Zit. nach Geck 2010, S. 139 sowie Wörner 1949, S. 206. Für ähnliche Formulierungen vgl. Spies, a.a.O.
5 Dies wird durch die verklärende Auffassung, in den Myrthen sei „das Motiv gegenseitiger Liebesbeteuerung“ und die Schilderung der „Seelenlage der Geliebten“ vorherrschend, nahe gelegt. Zit. nach Spies 1997, a.a.O.
6 Durch die jeweils ein oder zwei Viertelpausen währenden Zäsuren, welche inmitten einer jeden Doppelzeile eingeschoben werden, ergeben sich keine Unterbrechungen der melodischen Linie. Vgl. Fischer-Dieskau 1981, S. 57.
7 Ob diese Harmoniewendung als Trugschluss gelten kann, soll später noch erörtert werden.
8 Vgl. Fischer-Dieskau 1981, a.a.O. Der Autor stellt die Bedeutung der „schwebenden“, in die Terz mündenden und den nachfolgenden Quintton bereits antizipierenden Zeilenschlüsse in der ersten Textstrophe heraus.
9 Vgl. Kühn 1993, S. 85. Weiterführende Gedanken zum musikalisch-semantischen Gehalt der Komposition und zur Tonartensymbolik finden sich in den folgenden beiden Abschnitten.
10 Clemens Kühn merkt an, dass die Mediante As-Dur ohne Konsequenz bleibt und der Tonsatz auf engstem Raum wieder nach F-Dur zurückmoduliert, welches ebenso flüchtig behandelt wird. Vgl. Kühn 1993, S. 84.
11 Dieser Aspekt wird verschiedentlich in der Literatur betont. „Die Entfernung der Tonarten steht für die Situation der Liebenden“, die „flüchtig gestreifte entfernte Terzverwandtschaft“ symbolisiere Unerreichbarkeit; der Tonsatz werde „beim Gedanken an die Blume wieder in den F-Dur-Bereich zurückgeholt“. Vgl. Kühn 1993, a.a.O. und Spies 1997, S. 137.
12 Alle Passagen zit. nach Kühn 1993, S. 84f. Ob die Aussage von Spies, das gesamte Lied thematisiere metaphorisch „die unerfüllbare Liebe zwischen dem Mond und der Blume“, angemessen ist, darf angesichts der ansonsten eher spekulativen Ausführungen des Autors bezweifelt werden. Vgl. Spies 1997, S. 133.
13 Kühn 1993, a.a.O.
14 Die Rede ist von einer „eigentümlich schwülen Stimmung“ besonderer „Klangreizeffekte“. Zit. nach Wörner 1949, S. 206. In ähnlicher Weise äußert sich Dietrich Fischer-Dieskau, der, offensichtlich inspiriert durch Wörner, von „ungehörten Klangeffekten und harmonischen Reibungen“ spricht, welche durch die „Schwüle des Gedichts“ hervorgerufen würden. Zit. nach Fischer-Dieskau 1981, S. 57. Worin diese „Effekte“ und „Reibungen“ konkret bestehen, wird von den Autoren nicht spezifiziert und bleibt aus analytischer Perspektive als eine bloße Setzung und atmosphärische Platitüde bestehen.
15 Es existiert eine weitere, mit dem Klavierlied nicht verwandte Vertonung des Gedichts für vierstimmigen Männerchor, die ebenfalls im Jahr 1840 entstanden und als Nr. 3 der Fünf Lieder op. 33 erschienen ist. Vgl. Geck 2010, S. 139. Der Autor vermutet, dass das Chorlied vor allem aus der Motivation entstanden sei, Schumanns Kompositionen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.


Literatur

Fischer-Dieskau, Dietrich (1981): Robert Schumann: Wort und Musik. Das Vokalwerk, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt
Geck, Martin (2010): Robert Schumann: Mensch und Musiker der Romantik, München: Siedler
Kühn, Clemens (1993): Analyse lernen, Bärenreiter Studienbücher Musik: Band 4, Kassel: Bärenreiter
Döge, Klaus (2005): Myrthe:. Liederkreis op. 25, in: Loos, Helmut (Hg.): Robert Schumann: Interpretationen seiner Werke, Band 1, Laaber: Laaber
Spies, Günther (1997): Robert Schumann, Reclams Musikführer, Stuttgart: Reclam
Wörner, Karl Heinz (1949): Robert Schumann, Zürich: Atlantis