Geehrte Leser!
Politische und gesellschaftliche Umstände beeinflussten jederzeit auch die Künstler. Es stellte sich lediglich die Frage, wie aktiv man sich an politischen Entwicklungen beteiligen sollte, vielleicht sogar in publizistischer oder in künstlerischer Form.
Natürlicherweise haben hierbei die Künstler schon immer verschiedene Entscheidungen getroffen und sind unterschiedliche Wege gegangen.
Der Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen, aufbauend auf der Bekanntheit und der Autorität des eigenen Namens, warf für jeden schaffenden Künstler die Frage der Verantwortlichkeit auf, nicht nur dem Staat gegenüber, sondern z.B. auch der Sicherheit der eigenen Familie oder in extremen Fällen sogar des eigenen Lebens.
In dieser Ausgabe werden Geschehnisse ganz unterschiedlicher Zeiten vorgestellt. Chronologisch an erster Stelle stehen die Geschehnisse der Revolution von 1848 in Wien. Johann Strauss Vater und Sohn beteiligten sich an dieser auf künstlerische Weise und machten dabei, jeder für sich, auch einen Gesinnungswandel mit.
In der Zeit des dritten Reiches musste der jüdische Komponist Joseph Beer vor den Nazionalsozialisten fliehen. Erst diesen Sommer wurde eine seiner Operetten, die damals nicht mehr zur Aufführung gekommen war, in Wien erstaufgeführt. Für Contrapunkt haben sich die Tochter Suzanne Beer und die Witwe des Komponisten Hanna Beer zu einem Gespräch getroffen.
Richard Strauss dagegen war im dritten Reich zunächst stark integriert, als Leiter der Reichsmusikkammer. Nachdem er in Ungnade geraten war und nicht mehr für die staatliche Selbstdarstellung benötigt wurde (zur Zeit des Krieges) wurde er fallen gelassen. Welche Kriterien für Strauss Haltung und Rolle im Nationalsozialismus zu einer kritischen Beurteilung tauglich sind wird abgewägt.
Über Dmitri Schostakowitsch gäbe es im Hinblick auf politische Verwicklungen Unmengen zu berichten. Die ständige Konfrontation mit Stalins Gewaltherrschaft, der staatlichen Zensur prägte sein ganzes, auch künstlerisches Leben.
Ein kurzer Artikel über die politische Bedeutung der Titel zu seinen Symphonien gibt bereits einen informativen Einblick in die Arbeitsweise des Komponisten und seinen Umgang mit dem Regime. So viel soll hier schon verraten werden, dass er doch Wege fand, seine künstlerischen Ideen durchzusetzen und am Zensursystem vorbeizukommen.
Der aktuellste Beitrag bespricht das Musikleben im Iran. Die politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben das Land massiv verändert, besonders auch die Stellung der Musik im Staat. In dieser Ausgabe wird zu diesem Thema ein konkreter Bericht gegeben.
Insgesamt wird mit den Beiträgen ein Einblick in ein komplexesThemengebiet gewährt. Komplex deshalb, weil es viel Anstrengung und auch Arbeitswillen erfordert, sich in eine andere Zeit mit eigenen politischen Idealen und Wertvorstellungen einzufühlen und ein Urteil für unsere Zeit zu gewinnen.
Was schließlich alle Artikel verbindet ist die sich immer aufs neue stellende Frage nach der künstlerischen Verantwortung, die durch die chronologische Vielfalt hier von unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird.
Viel Spaß beim Lesen wünscht im Namen der Redaktion,
Alexander Fischerauer
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