Sehr geehrter Herr Jordania, Sie studieren zur Zeit an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Trotz des Studentenstatus planen Sie bereits genau Ihre Laufbahn als Pianist. Wie gehen Sie dabei vor?
Es gibt leider nur eine Möglichkeit, als Pianist erfolgreich zu werden: Man muss einen oder mehrere international bekannte Klavier-Wettbewerbe gewinnen. Ich habe mir vorgenommen, bis 2015 Wettbewerbe zu spielen. Die nächsten Wettbewerbe, an denen ich teilnehme, sind eben solche mit großer Resonanz.
An welchen Wettbewerben haben Sie bis jetzt schon teilgenommen?
In Georgien habe ich 2007 und 2009 bei internationalen Wettbewerben Preise gewonnen (1. und 3.). Letzten Sommer wurde ich in Wien beim Bösendorfer Wettbewerb mit dem ersten Preis ausgezeichnet.
Die eigene pianistische Entwicklung würde wohl besser ohne die zeitliche Belastung durch die Wettbewerbe vorwärts gehen?
Ein Nachteil an den Wettbewerben ist, dass man immer wieder das gleiche Programm spielt. Man findet kaum Zeit, sein Repertoire zu vergrößern. Genau das wird aber von den Agenten sehr stark gefordert. Außerdem ist es oft so, dass die Wettbewerbe in der Beurteilung der Teilnehmer nicht objektiv vorgehen. Leider passiert das häufig; Aber es ist trotzdem die einzige Chance, erfolgreich zu werden…
Wie genau beeinflussen die Wettbewerbe die Laufbahn junger Künstler?
Bei berühmten Wettbewerben wie z.B. dem Geza Anda-Wettbewerb in Zürich sind dort immer Agenten, die die Pianisten direkt ansprechen. Zum anderen wird der Gewinner des Wettbewerbs automatisch weiterbetreut. Man bekommt einen eigenen Agenten und die Garantie, für drei Jahre Konzerte mit guten Orchestern und Dirigenten zu spielen. Das ist natürlich ein sehr guter Start in die Karriere.
Wie sind Sie eigentlich zur Musik gekommen?
Nach dem Bericht meiner Eltern, konnte ich bereits mit 6 Monaten Walzer von Johann Strauss mitsingen, und wie man sagt, gar nicht so schlecht! Als ich 6 Jahre alt war, bekam ich ein Pianino geschenkt. Ich kann mich erinnern, dass ich von da an immer einen starken Bezug zum Klavier hatte, ich wollte immer bei diesem Instrument sein. Ich habe dann eigentlich erst relativ spät angefangen: Den ersten richtigen Unterricht habe ich erst mit 8 Jahren bekommen. Das ist eigentlich schon zu spät nach heutigen Maßstäben…
Gab es eine Entscheidung für Ihre Laufbahn als Pianist?
Nun ja, ich war einfach immer bei diesem Instrument, ich bin mit der Musik aufgewachsen. Es gab für mich keinen anderen Weg. Und ich denke, das war die absolut richtige Entscheidung! Musiker sind eigentlich sehr reiche Menschen. Dass wir mit dieser Art von Musik verbunden sind, ist ein Geschenk!
Jetzt studieren Sie bereits ein Jahr bei Prof. Maisenberg. Warum kamen sie gerade zu diesem berühmten Klavierprofessor?
Er ist für mich nicht nur einer der größten Musiker und ein wunderbarer Lehrer, sondern auch ein großer Mensch, von dem man immer wieder etwas Neues lernen kann. Vom Professor hängt so viel ab. Deshalb bin ich sehr glücklich, den richtigen für mich gefunden zu haben. Er arbeitet mit allen Studenten sehr individuell und unterstützt eigene Ideen.
Als georgischer Pianist haben Sie sicher auch eine Beziehung zu sowjetischer Musik, z.B. der von Schostakowitsch?
In Georgien denkt man sehr positiv über die Musik von Schostakowitsch. Schostakowitsch hat ganz sicher einen erheblichen Einfluss auf alle sowjetischen Komponisten gehabt und ohne ihn kann man von sowjetischer Musik gar nicht sprechen. Die zweite Klaviersonate z.B. habe ich selbst gespielt. Ich habe aber das Gefühl, dass russische Musik in Westeuropa leider nicht so beliebt ist. Wenn ich hier z.B. Rachmaninov spiele, fühle ich manchmal eine gewisse Reserviertheit beim Publikum.
Wie würden Sie den Unterschied zwischen den frühen und den späten Klaviersonaten von Beethoven beschreiben?
Natürlich gibt es einen großen Unterschied. Ich würde nicht betonen, dass er sich entwickelt, sondern vor allem verändert hat. Am Anfang war er natürlich noch stark beeinflusst von Mozart und Haydn. Später findet er dann zu seinem eigenen Stil.
Für Contrapunkt haben Sie unter anderem die letzte Klaviersonate von Ludwig van Beethoven gespielt, op. 111 in c-moll. Was ist Ihnen bei diesem Stück für die Interpretation wichtig?
Vor kurzem habe ich einen Anstoß bekommen: Ich habe Beethovens Wohnhaus in Heiligenstadt besucht und war sehr schockiert über seine Lebenssituation. Vor allem darüber, dass er in solch ärmlichen Verhältnissen leben musste. Nach diesem Eindruck habe ich meine Interpretation etwas geändert. Vielleicht spiele ich die Sonate nun etwas dramatischer… Beide Sätze der Sonate sind schon in der Grundstimmung sehr dramatisch. Es gibt sehr viel vokalgedachte Stellen. Mit diesem Stück ist er schon in eine Art romantische Periode gegangen. Trotzdem gibt es auch die klassische Schule. Es ist also eine Mischung von klassischen und romantischen Ideen. Das ist sehr schwer: Man darf nicht zu streng klassisch und nicht zu romantisch spielen. Aber bei Beethoven versuche ich vor allem zu singen, diese Musik hat viel von Gesang.
Gerade diese Sonate hat besondere interpretatorische und technische Schwierigkeiten…
Die Sonate ist wirklich die schwierigste: Der Charakter ist wirklich schwer zu treffen. Pianistisch ist sie sehr unbequem. Er konnte schon nichts mehr hören und hat alles auswendig komponiert. Deshalb ist sie klanglich und pianistisch so anspruchsvoll… Das erste Thema der Arietta ist besonders schwer.
Das würde man auf den ersten Blick gar nicht vermuten, dass gerade dieses Thema das schwierigste ist?
Es muss molto semplice gespielt werden, und nicht Adagio molto! Dazwischen gibt es einen sehr großen Unterschied. Im Faksimile kann man nachlesen, dass Beethoven tatsächlich ein Komma geschrieben hat zwischen Adagio und molto semplice e cantabile. Und eben dieses molto semplice ist im Ausdruck sehr schwer zu treffen.
Und die weiteren Teile der Arietta?
Die Musik bleibt immer gesanglich, vokal. Der punktierte Rhythmus in der sechsten Variation ist ein großer Ausbruch, sehr dramatisch, sehr energiegeladen… Für mich z.B. ist es eine große Welle eines Ozeans, solche Assoziationen können sich einem dabei aufdrängen.
Ihr Interesse an der Musik beschränkt sich nicht nur auf die Klavier-Literatur?
Mich stört an vielen studierenden Pianisten, dass sie sehr auf ihr Instrument fixiert sind. Natürlich ist das Klavier ein sehr reiches Instrument. Ich denke, dass man aber auch andere Bereiche kennen muss, z.B. die Oper. Ich persönlich interessiere mich auch sehr für die Kammermusik, in letzter Zeit vor allem die Vokalbegleitung. 15 Lieder von Hugo Wolf habe ich zusammen mit einem Sänger einstudiert und bin begeistert von dieser Musik. Dass wir solche Musik genießen können, macht uns zu sehr glücklichen Menschen. Viele andere Menschen haben das nicht. Deshalb mag ich die Frage nicht: Was machen Sie nach dem Konzert, um sich zu erholen? Ich frage mich: Wie soll man sich erholen können von Musik? Mit der Musik ermüde ich und mit der Musik erhole ich mich. Das ist ein ewiger Kreislauf.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Foto: Michael Kaufmann © 2012
Hier finden Sie eine kurze Biographie des Künstlers.
Hier geht es zur Aufnahme für die 5. Ausgabe von Contrapunkt.
No Comment