„Lass Dich vor Allem auf das Zärtlichste küssen am heutigen Tage, dem ersten Deiner Frauenschaft, dem ersten Deines 22sten Jahres. Das Büchlein, das ich heute eröffne, hat eine gar innige Bedeutung; es soll ein Tagebuch werden über Alles, was uns gemeinsam berührt in unserem Haus- und Ehestand; unsre Wünsche, unsere Hoffnungen sollen darin aufgezeichnet werden; auch soll es sein ein Büchlein der Bitten, die wir aneinander zu richten haben, wo das Wort nicht ausreicht; auch eines der Vermittlung und Versöhnung, wenn wir uns etwa verkannt hatten; kurz ein guter Freund soll es uns sein, dem wir Alles vertrauen, dem unsre Herzen offen stehen.“ (S. 99)1

So beginnt Robert Schumann am 12. September 1840 das gemeinsam mit Clara geführte Ehetagebuch. Sollte es eine Quelle geben, die einen besseren Einblick in die Ehe des Künstlerpaares geben kann, als diese? Es ist eine Aufzeichnung sehr intimer Gedanken und Gefühle, bei deren Lesen man zeitweise das Gefühl bekommen kann, zu tief in die Privatsphäre dieser beiden Menschen einzudringen.

Viele der heute üblichen Darstellungen der Beziehung zwischen Robert und Clara Schumann vermitteln den Eindruck, als hätten die Verfasser keinen einzigen Blick in diese Quelle geworfen. Clara Schumann wird oft als von ihrem Mann unterdrückte, eingeschränkte und nach seinem Tod nahezu befreite Frau beschrieben, was so sicherlich nicht stimmt.

robert_und_clara1Clara und Robert, zwei starke Künstlerpersönlichkeiten, egänzten sich, lernten voneinander und miteinander, motivierten sich gegenseitig und liebten sich innig. Robert bewunderte ihre Fertigkeiten am Klavier und ihre Musikalität, Clara bewunderte und schätzte seine musikalische Genialität und seine Arbeit als Komponist. (Clara Schumann über die Frühlingssymphonie: „[…] ich hätte Dir solch eine Gewandheit nicht zugetraut – Du flößt mir immer neue Ehrfurcht ein!!! – “ S.143) Sie war die Interpretin, er der Komponist. Die weit verbreitete Meinung, dass Robert nicht ertragen konnte, dass Clara die bessere Pianistin war und ihr deshalb das Spielen und Konzertieren verbot, geht aus den Tagebüchern nicht hervor. Robert schreibt: „An ihrer Kunst hängt sie begeisterter als je und hat manchmal in der vorigen Woche gespielt, dass ich über die Meisterin die Frau vergaß und sie sehr oft selbst vor anderen geradezu ins Gesicht loben musste.“ (S.112) Clara führte auch während ihrer Ehe noch ein reges Konzertleben und wurde auf die meisten ihrer Konzertreisen von ihrem Mann begleitet. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter Marie 1841 reiste sie ohne Robert nach Kopenhagen, was für beide Eheleute großen Trennungsschmerz bedeutete und für Clara noch zusätzlichen Schmerz über die Trennung von ihrer Tochter, die bei ihrem Mann zu Hause geblieben war. „Donnerstag der 10te März war der schrecklichste in unserer Ehe bis jetzt – wir trennten uns, und mir war´s, als sollte ich ihn nicht wiedersehen. […] ich kann nicht beschreiben wie unglücklich ich mich fühlte, […]“ (Clara Schumann S. 212) Claras Heimweh und ihre Sehnsucht nach Mann und Kind wurde von ihrem Gastgeber Olsen folgendermaßen kommentiert: „Kommen sie ja nicht wieder zu uns ohne ihren Robert!“ (Clara Schumann S. 222)

Gemeinsam studierte das junge Paar Bachs Wohltemperiertes Klavier. „Wir haben begonnen mit den Fugen von Bach; Robert bezeichnet die Stellen, wo das Thema immer wieder eintritt – es ist doch ein gar interessantes Studium der Fugen, und schafft mir täglich mehr Genuß.“ (S. 103) Die ehrgeizige, selbstkritische Clara bemühte sich sehr und konnte beim gemeinsamen Studium von ihrem Mann einiges lernen. Obwohl Robert seine junge Frau ungern allein auf Konzertreisen gehen ließ, ermunterte er sie zum Spielen und Konzertieren und sogar zum Komponieren. Nachdem sie ein Lied geschrieben hatte, kam ihm die Idee mit ihr gemeinsam einen Liedband herauszugeben und ermutigte seine Frau weitere Lieder zu schreiben. Diese tat dies vorerst allerdings höchst ungern und hielt sich fürs Komponieren gänzlich unbegabt. „Ich habe gar kein Talent zur Composition!“ (S. 141) Um ihm eine Freude zu machen schrieb sie die Lieder trotzdem. „Alle Zeit […] brachte ich mit Versuchen, ein Lied zu componiren, (was immer sein Wunsch) zu, und es ist mir denn endlich auch gelungen Dreie zu Stand zu bringen, […] Sind sie freilich von gar keinem Werth, nur ein ganz schwacher Versuch […]“ (Clara Schumann S. 134) Robert konnte ihre Meinung über ihre mangelnde Begabung nicht teilen und verarbeitete einige ihrer Themeneinfälle in seinen Werken. (z.B. in der Kreisleriana und der fis-Moll-Sonate für Klavier)

Natürlich kam es bei zwei so außergewöhlichen Menschen, ab und zu zu Uneinigkeiten, Streit und Eifersucht. Die keinesfalls unmündige Clara hatte zum Beispiel genaue Vorstellungen wie sie die Stücke, die sie einstudierte, interpretieren wollte. Dazu gehörten auch die Kompositionen ihres Mannes. Dies führte einmal zu einem Streit, da Robert als der Komponist andere Vorstellungen zur Interpretation seiner Werke hatte als seine Frau, die Interpretin. „Einmal stritten wir uns, wegen Auffassung meiner Compositionen seitens Deiner. Du hast aber nicht Recht, Klärchen. Der Componist und nur er allein weiß wie seine Compositionen darzustellen seien. Glaubtest Du´s besser machen zu können, so wär´s dasselbe, als wenn der Maler z.B. einen Baum […] besser machen wollte, als ihn Gott geschaffen. Er kann einen schöneren malen – dann ist es aber eben ein anderer Baum, als den er darstellen wollte.“ (S. 107) Für Clara war es verständlicherweise ein Problem, dass Robert sich so häufig in sein Zimmer zurückzog um zu komponieren, worüber sie sich etwas vernachlässigt fühlte. Besonders während der Arbeit an seiner Frühlingssymphonie hatte er wenig Zeit für seine Frau. Diese war zu dieser Zeit noch kinderlos und musste wegen der dünnen Wände in der Schumann´schen Wohnung während er arbeitete auf das Klavierspielen verzichten, um ihn nicht zu stören. In ihren Tagebuchaufzeichnungen weist Clara ihn sehr deutlich darauf hin. „Robert ist seit einigen Tagen sehr kalt gegen mich; zwar ist wohl der Grund dafür ein sehr erfreulicher, und niemand kann aufrichtigeren Theil nehmen an Allem, was er unternimmt, als ich, doch zuweilen kränkt mich diese Kälte, die ich am allerwenigsten verdiente.“ (S. 144)

Besonders Clara äußert sich in ihren Aufzeichnungen sehr ausführlich und direkt über die verschiedensten Zeitgenossen und wie sie deren Musik oder künstlerische Fähigkeiten beurteilt. Für den heutigen Leser kann das sehr interressant sein, da die Schumanns mit vielen wichtigen Künstlern und Persönlichkeiten dieser Zeit in Kontakt standen (z.B. Hector Berlioz, Richard Wagner, Felix Mendelssohn, Fanny Hensel, Giacomo Meyerbeer, Ignaz Moscheles, Wilhelmine Schröder-Devrient, etc.). In diesen Beurteilungen waren sich die Schumanns nicht immer ganz einig. Clara war zum Beispiel im Gegensatz zu Robert nicht besonders begeistert von Berlioz als Person. „Er ist kalt, theilnahmlos, grämlich, kein Künstler wie ich ihn liebe,- ich kann mir nicht helfen. Robert ist anderer Meinung und hat ihn ganz in sein Herz geschlossen, was ich nicht begreifen kann.“ (S. 258) Der Kontakt des Ehepaares zu den vielen anderen Künstlern, die sie schätzten und bewunderten führte wohl unumgäglich zu Eifersucht. Zu Beginn ihrer Ehe quälte Robert seine Eifersucht auf Felix Mendelssohn, der Clara hoch schätzte und dem auch Clara ihrerseits Bewunderung entgegen brachte. Robert schreibt: „Klara saß zwischen Mendelssohn und Graf Reuß, und schwärmte sehr; ein schönes Wort von Mendelssohn macht sie stundenlang glänzen.“ (Robert Schumann S. 113) Clara fühlte sich von diesen Zeilen beleidigt und verteidigte sich vehement: „Das sind ehrenrührige Späße, die ich mir nicht gefallen lasse so im Ernst geschrieben!“ (Clara Schumann S.114) Beide Schumanns blieben Mendelssohn gegenüber robert_und_clara2vorerst kritisch, was sie vor allem an seiner jüdischen Herkunft festmachten. „[…] gegen ihn als Künstler gewiß nicht – das weißt du – hab´ ich doch seit Jahren so viel zu seiner Erhebung beigetragen, wie kaum ein Anderer. Indeß – vergeßen wir uns selbst nicht zu sehr dabei. Juden bleiben Juden; erst setzen sie sich zehnmal, dann kömmt der Christ“ (Robert Schumann S. 122/123) Dieses Misstrauen legte sich jedoch später und Mendelssohns und Schumanns verband eine enge Freundschaft. Mendelssohn wurde sogar die verantwortungsvolle Aufgabe des Patenamtes für die erste Tochter Marie übertragen. Diese Haltung der Schumanns zeigt deutlich, das im 19. Jhd. durch alle Schichten der Bevölkerung verbreitete Misstrauen gegenüber den Juden, welches aber nicht mit dem Judenhass im 20 Jhd. gleichzusetzen ist.

Clara war eifersüchtig auf die Pianistin Amalie Rieffel, deren Fähigkeiten Robert begeisterten und deren Interpretation seiner Stücke ihm sehr gefiel. „Ich habe eine gefährliche Nebenbuhlerin in der Rieffel, von der Robert, wie ich aus einer Aeußerung schließen konnte, seine Compositionen lieber hört als von mir – das ist mir denn nicht wenig in den Sinn gefahren!“ (S. 104) Clara hielt Amalie Rieffel bei ihrer ersten Begegnung für „ein eigenthümliches Wesen“ (S. 115), das „Niemand über sich stehen sehen [kann], denn das macht sie unglücklich.“ (S. 115) Meistens werden die im Tagebuch dokumentierten Konflikte zwischen den Eheleuten nach einmaliger Erwähnung nicht nochmals aufgegriffen, was wohl damit zu erklären ist, dass das Tagebuch wöchentlich oder in noch längeren Zeitabständen hin- und hergereicht wurde. Es ist anzunehmen, dass in dieser Zeit die Probleme mündlich oder auf anderem Wege geklärt wurden.

Im Frühjahr 1844 auf einer gemeinsamen Russlandreise des Paares erkrankte Robert erstmals für längere Zeit und lag nach einem Rheumaanfall im Bett. Clara beurteilte seinen Zustand so: „Eigentlich war es die Angst, welche ihn kränker und schwächer machte, als er war; er dachte er stünde nicht wieder auf, bekäme das Nervenfieber, oder sonst etwas“ (S. 329) Sie hatte Konzerte zu spielen und litt unter der Belastung, die ihr die Erkrankung ihres Mannes brachte. Roberts Depressionen kündigen sich in den Tagebüchern schon viel früher an. Er schreibt in vielen seiner Einträge über sein „leidliches Befinden“ und dass ihm „nicht wohl“ sei. („- auf der Rückfarth heftiger Anfall von Rheuma und Angst -“ (Robert Schumann im Februar 1844, S. 283); „- Immerwährende Leiden -“ (Robert Schumann im April 1844, S. 291)) Diese Beschreibungen seiner Befindlichkeit nehmen im Laufe der Jahre immer mehr zu. Ab 1853 litt er immer wieder an schweren rheumatischen Anfällen und bekam die ärztliche Diagnose einer „Gehirnerweichung“. Ein Jahr später begannen die paranoiden Anfälle und er stürzte sich von einer Rheinbrücke. Den Sturz überlebte er, aber er wurde in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er am 20.07.1956 starb. Für Clara war Roberts Erkrankung schwer zu tragen. Eigentlich hatte sie ihren geliebten Mann schon vor seinem Tod verloren. Robert veränderte sich auf Grund seiner Krankheit über die Jahre ihrer Ehe und war am Ende nicht mehr der Mann, den Clara gegen den Widerstand ihres Vaters geheiratet hatte.

Entgegen der von Peter Gülke im Schumann Handbuch aufgestellten Behauptung („Das Glück des schwer erkämpften Zusammenseins wird sie sich und ihm oft mehr eingeredet denn als „Glück die Fülle“ erlebt haben; der Aufrichtigkeit der nicht selten verdächtig empathischen Ehe-Tagebücher hat das nicht gut getan.“ Schumann Handbuch S. 36) werden in den Ehetagebüchern von beiden Ehepartnern sowohl positive, als auch negative Aspekte ihres Zusammenlebens beschrieben. Dieser Artikel beruht einzig auf den Ehetagebüchern von Robert und Clara Schumann, die als Quelle natürlich nicht alle Details dieser Beziehung in ihrer vollkommenen Wahrheit darstellen können, aber dennoch wie keine andere einen sehr tiefen Einblick verschaffen. Die Lektüre dieser Tagebücher sei jedem empfohlen, der sich ein eigenes und unabhängiges Bild über Robert und Clara Schumann verschaffen möchte, einem beeindruckenden und sympathischen Paar, das es nicht verdient hat so häufig in ein derart falsches Licht gerückt zu werden.

Von Lena Fischerauer

1 Alle Seitenangaben im Text beziehen sich auf die am Ende des Artikels angegebene Quelle.

Literatur:
ROBERT SCHUMANN Tagebücher Band II 1836-1854 Herausgegeben von Gerd Nauhaus Verlag: Stroemfeld/Roter Stern