ahooDie Zensur und inhaltliche Begrenzung von künstlerischen Werken bewirkt, dass die Gesellschaft keinen Einfluss auf Kunst nehmen kann und Kunstformen sich nicht weiter entwickeln können. Das Bestehen einer harten Zensur-Politik erlaubt kaum individuelle Gestaltung, das künstlerische Leben nimmt eine einseitige, nur den politischen Interessen zugewandte Form an. Die Kunst, die immer in Phasen von Entwicklungen steckt und sich fort und weiter bewegen möchte, kann neue Herausforderungen und Problemstellungen in einer derartigen Situation nicht zeitgerecht beantworten. Stattdessen beharrt sie ständig auf den alten, schon vorhandenen Antworten und erhält damit einen immer wiederkehrenden Zyklus.

Es kommt vor, dass sich in einem Staat Politik und Religion sehr stark vereinigen. Eine dogmatische Form der Religionsausübung hat oft Schwierigkeiten mit freieren Formen der Musik. Damit wird das Schöpfen und Kreieren von Musik sehr begrenzt und einseitig gehalten. Diese einleitenden Gedanken umschreiben auch die Situation der Musik im heutigen Iran.

Die Situation im Iran

Es scheint natürlich zu sein, dass Künstler, die mit schwierigen politischen Umständen konfrontiert sind, viel Energie und Zeit für kritisches Hinterfragen verwenden. Deshalb stellen viele Künstler ihre Werke illegal und im Untergrund vor, was selbst eine Art von nicht gewollter Zensur ist. Künstlern, die erwischt werden, drohen Gefängnisstrafen. CDs und Konzerte im Bereich der Pop und Untergrund-Musik werden illegal verbreitet bzw. aufgeführt,

Foto: Saleh Rozati

weswegen sich nur wenige Leute dafür interessieren. Die Bands haben dadurch kaum Gelegenheit, sich richtig zu entwickeln und werden meist schnell wieder aufgelöst.

Sehr oft wirkt sich die Zensur negativ aus, manchmal bewirkt sie aber auch das Gegenteil und die Künstler können aus dieser Situation etwas kreieren oder gestalten. Somit müssen sich die Künstler von vorneherein den Vorstellungen der Zensur anpassen, um ihre Kunst im Iran überhaupt veröffentlichen zu dürfen. Als Beispiel mag dienen, dass es verboten ist, Menschen rein figurativ, also nackt zu malen. Deshalb müssen sich die Künstler auf eine andere Art zu malen einstellen, nämlich bekleidete Körper darzustellen. Damit erschließen sie sich aber auch eine neue künstlerische Perspektive. Diese Bilder finden mitunter auch in Europa großen Anklang.

Traditionelle iranische Musik

Traditionelle iranische Musik, eine sehr alte Musik, hatte genauso wie alle anderen Arten von Musik Schwierigkeiten im neuen System. Komponisten und Musiker ca. der letzten 150 Jahre trugen dazu bei, diese Art von Kunst-Musik in die heutige Notation zu transkribieren. Sie wird mit iranischen Instrumenten aufgeführt und besitzt eine eigenständige harmonische Grundlage. Der Gesang ist fast immer die Basis, vertont sind vor allem Texte alter iranischer Dichter. Die Texte werden für unsere Zeit manchmal neu adaptiert.

Solange die traditionelle Musik aus politischer Sicht nicht zu brisant sind (v.a. die Texte), wird die Aufführung dieser Musik auch vom Staat einigermaßen akzeptiert. Beim Volk ist diese Musik sehr beliebt, jeder will sie gerne hören. Daher gibt es viele Konzerte und auch viele Musiker, die sie spielen. Um zu verstehen, warum künstlerische Untergrundbewegungen überhaupt notwendig sind, muss man sich die politischen Hintergründe vor Augen führen.

Politisches – Geschichtliches

Es gab in den letzten Jahrzehnten entscheidende politische Veränderungen, mit großen Auswirkungen auf das Künstlerleben.

– Die Shah-Regierung: Von 1974 bis 1979 wurde im Iran das 2500-jährige Bestehen des Königreiches gefeiert. In dieser Zeit gab es große Musikfestivals, bekannte Musiker aus der ganzen Welt kamen in den Iran und spielten. Die europäische klassische Musik wurde bekannter und setzte sich schnell durch. Iranische Musiker hatten sehr gute Möglichkeiten für einen Austausch mit Europa, viele sind zum Beispiel nach Österreich gekommen. Orchester wurden gegründet, sogar in Schulen. Insgesamt war diese Zeit gewissermaßen eine Blütezeit für das künstlerische Leben, da der Kunst Toleranz und Interesse entgegengebracht wurden.

– Revolution und islamische Republik: Im Jahr 1979 brach die Revolution aus, in deren Folge die konstitutionelle Monarchie von einer islamischen Republik abgelöst wurde. Die äußerst konservative Regierungspolitik, die auch eng mit einer strengen Auffassung des Islam kombiniert war, führte dazu, dass Künstler und insbesondere Frauen ihre Arbeiten nicht mehr veröffentlichen durften oder Auftrittsverbot erhielten. Im Jahr 1979 war der Besitz von Musikinstrumenten verboten, viele, auch teure Instrumente wurden zerstört. Die Ablehnung der Musik ist vor allem religiös motiviert.

In Folge der dramatischen Veränderungen haben die europäischen Musiker das Land natürlich verlassen. Mit ihnen gingen viele gute iranische Musiker, da sie in Europa einen viel besseren Arbeitsmarkt und eine bessere Lebensgrundlage vorfanden. Die Situation heute ist insgesamt lockerer, aber trotzdem noch sehr streng. So dürfen im Fernsehen zum Beispiel keine Musikinstrumente gezeigt werden (hörbar sind sie aber schon). Viele Menschen vertreten auch heute die Meinung, dass Musik im Islam verboten sei. Bisweilen können Musiker Probleme in der Öffentlichkeit bekommen, in Form von verbalen und teilweise auch physischen Angriffen.

Vergleicht man die letzten Jahre der Shah-Regierung, erkennt man deutlich, dass Musik und Musiker seit der iranischen Revolution massiv unterdrückt werden.

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Schwierigkeiten im öffentlichen Musikleben

Das Tehran Symphonic Orchestra spielt wie die meisten Orchester der Welt unterschiedliche Musikrichtungen, aber leider nicht auf einem besonders hohen Niveau. Die Musiker werden von der Regierung nicht unterstützt und haben deshalb mit ziemlich schwierigen Lebensumständen zu kämpfen. Eine Folge ist, dass die Musiker nicht regelmäßig zu den Proben kommen. Sie bekommen so geringe Gehälter, dass sie nicht davon leben können, sie müssen viel nebenher machen, um überhaupt leben zu können.

Besonders die Frauen haben es schwer. Die Bekleidungsregeln (Hijab, d.h. Mantel, Kopftuch etc.) behindern die Musikerinnen beim Spielen. Sängerinnen haben die meisten Probleme. Sie dürfen als Solo-Sängerin entweder nur vor einem Frauen-Publikum auftreten oder müssen chorisch begleitet werden. Eine Frau darf vor einem gemischten Publikum als Solo-Sängerin nicht auftreten! Damit eine Frau trotzdem solistisch vorsingen kann, hat man sich folgenden Trick ausgedacht: Die Frau singt zusammen mit einem Mann die gleiche Stimme, der Mann hält sich aber so sehr zurück, dass man ihn kaum hören kann.

Viele junge iranische Künstler haben trotz der Unterdrückung immer noch Energie, für ihre Kunst zu kämpfen. Durch die neuen Medien, vor allem das Internet, ist es leichter geworden, die Kunst am Zensur-System vorbei nach außen zu tragen. Ich hoffe, dass sich mit Hilfe dieser Möglichkeiten unsere Musik auf Dauer etwas erholen kann.

Von Ahoo Maher