Eine Beschreibung der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart für Orgel ergäbe einen sehr kurzen Artikel – der große Komponist, der in der Kürze seines Lebens in nahezu allen zu seiner Zeit üblichen Gattungen und Formen komponierte, hat keine Originalkomposition für Orgel hinterlassen. Wir wollen also lieber der Frage nach dieser von allen Organisten als schmerzlich empfundenen Lücke nachgehen.

Die große Zeit der Orgel war zu Mozarts Geburt schon vorbei. Von den frühbarocken Anfängen an war das Kircheninstrument das „Instrument aller Instrumente“ (Michael Praetorius) gewesen, Kernstück des Orchesters und im Zentrum des Schaffens barocker Komponisten. Doch schon zu Lebzeiten J. S. Bachs, der die Orgelkunst auf eine vorher wie nachher nicht erreichte Höhe führte, begann der Verfall des Ansehens dieses Instrumentes, wie auch der Fähigkeiten der Organisten. C. P. E. Bach äußerte gegenüber Charles Burney, er „wisse nichts mehr mit dem Pedal zu machen“.

Das gewandelte Klangideal im Orchester und der beginnende Siegeszug des Klaviers machen es begreiflich, dass für ein Instrument, dessen Prinzip die Terassendynamik ist, weniger Interesse da war. Außerdem hatte sich zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jh. der Schwerpunkt der Musikausübung endgültig von der geistlichen auf die weltliche Seite veschoben. Hatten Bach und Händel noch mit ihrem Orgelspiel von sich reden gemacht, so begannen Mozart und Beethoven ihre Laufbahnen als Klaviervirtuosen.

Mozart kam jedoch sehr wohl mit Orgeln in Berührung. In jungen Jahren war er Salzburger Hoforganist, was ihn jedoch nicht zur Komposition von Orgelwerken angeregt hat. Abgesehen von Improvisationen für den liturgischen Gebrauch spielte er in diesem Zusammenhang Kammermusik. Daraus entstanden die Kirchensonaten mit konzertanten Orgelparts.

Auf seinen Reisen trat er immer wieder auch als Organist auf, so z.B. auf seiner ersten Italienreise in Verona. Auch hier ausschließlich improvisierend. Seine Achtung vor der Orgel im Allgemeinen war immerhin so groß, dass er sie in einem Brief an seinen Vater die „Königin aller Instrumente“ nannte. Dass Mozart dennoch keine Solo-Orgelwerke schrieb, liegt also wahrscheinlich nicht in einem Desinteresse oder einer Abneigung begründet, sondern hat praktische Hintergründe. Im liturgischen Rahmen der katholischen Messe kam der Orgel keine große Rolle zu, die Komposition von z.B. großen Präludien war also nicht nötig. Das Orgelkonzert als öffentliche Veranstaltung in Kirchen gab es nicht, in Konzertsälen waren noch gar keine Orgeln vorhanden. Seine Improvisations-Auftritte auf Reisen waren also eher Ausnahmen in der Konzertkultur seiner Zeit.

Warum also Orgelmusik schreiben – Mozart konnte es sich nicht leisten, Werke für die Schublade zu schreiben, fast alle seiner Werke gehen auf einen konkreten Auftrag oder Anlass zurück. Für die Organisten bleibt diese Lücke bedauerlich, zumal die Zeitzeugenberichte über seine Orgelimprovisationen enthusiastisch sind.

Zum Glück gibt es doch die Möglichkeit, quasi auf Umwegen, Mozart in Orgelkonzerten zu spielen. Berühmt ist seine Fantasie in f-moll KV 608, die für eine Orgelwalze in einer Uhr, also ein mechanisches Instrument, geschrieben ist. Trotz des eher komischen Instruments und dem Umstand, dass er das Werk aus einer Auftragsnot heraus schrieb, gehört es zu seinen Meisterwerken. Es lässt sich zu vier und auch zu zwei Händen auch auf der richtigen Orgel spielen.

Im Zusammenhang mit seinen Bach-Studien entstanden eine Reihe von kleinen Stücken (KV 404f), die wohl genauso gut für Orgel als auch für das Klavier gedacht sein können. Der Herausgeber Johannes Pröger stellt in seiner zweibändigen Ausgabe Mozart auf der Orgel (Merseburger, Berlin 1959) auch Versuche vor, z.B. die d-moll-Fantasie KV 397 auf die Orgel zu transkribieren oder die Kirchensonate C-Dur KV 336 (original für zwei Violinen, Orgel und Bassinstrument) für Orgel solo einzurichten. Gängige Praxis ist bei vielen Organisten auch das Spielen von langsamen Sätzen aus Sonaten, wobei das aber gerade von Klavierliebhabern kritisch beurteilt wird – der Orgel fehlt dann doch die dynamische Differenzierfähigkeit, die der am Klavier geschulte Hörer erwartet.

So bleibt es zu bedauern, dass die Kunst Mozarts, Orgel zu spielen, sich nicht in Noten konserviert hat. Der Kirchenmusik aber hat er mit seinen Messen und besonders seinem Requiem ein unvergängliches Erbe hinterlassen.