„Gottes ist der Okzident! Nord- und südliches Gelände, Ruht im Frieden seiner Hände.“

Johann Wolfgang von Goethe, aus dem westöstlichen Diwan.

Geschichtliches

Bereits seit Anbeginn der Geschichtsschreibung ist der nahe Osten ein Ort, an dem sich wichtige historische Begebenheiten zugetragen haben. Ob Gesellschaft, Kultur oder Politik, in fast allen Bereichen herrschte in der Tat schon immer ein großes Interesse, vor allem wenn wir uns mit dem Glauben an Gott auseinandersetzen. Denn alle drei Weltreligionen, Judentum, Christentum und Islam, sind in dieser Region entstanden. Also sind die Religionen ein Teil unserer Tradition, welche das Zusammenleben der europäischen Völker geprägt hat.

Obwohl die Kreuzzüge eines der bekanntesten Kapitel unserer Geschichte sind, sorgten sie sicherlich nicht für die optimalen Umstände eines interkulturellen Austauschs zwischen Orient und Okzident. Vielmehr kann man den Kontakt zwischen dem Abbasiden Kalifat und dem deutsch-römischen Reich als eine der ersten diplomatischen und friedlichen Korrespondenzen betrachten. Denn als Symbol von Hochachtung und Toleranz schenkte der abbasidische Kalif Harun ar-Rashid dem Karolinger Karl dem Großen einen indischen Elefanten, der im Jahre 802 n. Chr. zu dem Hauptsitz Karls nach Aachen gebracht wurde.
Zu erwähnen ist auch das harmonische Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen in Al-Andalus, welche die Wissenschaft und Kultur gemeinsam zum florieren brachten. Ebenfalls wurde das Gedankengut der griechischen Philosophen westoestlicher-diwanvon den Arabern aufgenommen und weiter entwickelt. Islamische Denker wie Alkindus und Avenassar galten somit als Vorläufer für große abendländische Persönlichkeiten wie zum Beispiel Immanuel Kant oder René Descartes.
Folglich bildete sich ein Fundament für das Zeitalter der Aufklärung und Reformation im Abendland. Einer Revolution des Wissens und der Technologie stand also nichts mehr im Wege. Selbstverständlich sah man die Sarazenen oder die Osmanen als große Bedrohungen für Europa an. Manche gingen sogar soweit, vom Untergang des Christentums zu sprechen. Dennoch herrschte eine gewisse Faszination für den so verhassten Feind. Das Exotische scheint den Menschen doch auf irgendeine Art und Weise anzuziehen. So entstanden Mystifizierungen und sogar Legenden, die uns den Orient romantisch erscheinen lassen. Inspiriert von dem Werk Tausendundeine Nacht träumte man von Weihrauch, Rosenwasser, Harems und Flaschengeistern. Diese äußeren Einflüsse wirkten sich vor allem auf die europäische Kunst und Kultur aus. Als herausragendes Beispiel gilt das literarische Werk Nathan der Weise. In ihm formte Lessing den bekannten Sultan Saladin, einer der Hauptprotagonisten, zu einer dramatischen Figur. Generell sah man Saladin nicht nur als den Eroberer Jerusalems, sondern auch als jemanden der Milde und Gnade gegenüber den Unterlegenen walten ließ. Dies verschaffte ihm eine hohe Reputation in Europa. Auch der wichtigste Vertreter der deutschen Literatur Johann Wolfgang von Goethe war vom Nahen Osten angetan. Dies drückte er insbesondere in den Werken westöstlicher Divan und Mahomets Gesang aus. Er setzte sich auch mit dem Islam und somit mit dem Koran auseinander. Doch um dies näher zu erläutern bedarf es mindestens eines eigenen Artikels.

Auch in der Musik ließ man sich vom Bann des Orients verzaubern, was sich zum Beispiel in Mozarts Oper Don Giovanni deutlich zeigt. Wohl eines der bekanntesten Werke Mozarts und der gesamten der klassischen Musik mit dem Titel Rondo alla Turca basiert ebenfalls auf Inspiration und Faszination für den nahen Osten. Komponisten wie Claude Debussy oder Franz Liszt verwendeten sogar orientalische Elemente in ihren Werken. Tonleitern wie das Zigeuner Dur oder Moll waren charakteristisch für Liszts Kompositionen. Denn die ungarische Volksmusik hat durchaus viele Gemeinsamkeiten mit der türkischen und arabischen.
Nicht zu vergessen ist die Flamenkomusik und speziell der spanische Komponist Isaac Albeniz. Dieser war ein andalusischer Komponist und Klaviervirtuose, der in seiner Musik folkloristische und spanisch-andalusische Elemente miteinander verband. Die spanische Rhythmik, welche sehr der orientalischen gleicht, verarbeitete er musterhaft. Obwohl viele europäische Musiker ihre Begeisterung für den Orient durch die Musik ausdrückten, blieb man,wie auch Albeniz, bei den Strukturen der abendländischen Musiklehre.

Orientalische Musik

Wie die abendländische Musik hat auch die morgenländische ihren Ursprung. Es ist dokumentiert, dass im antiken Mesopotamien sehr wohl die Musik als Kunstform praktiziert wurde. Die alten Völker des nahen Ostens waren zum Beispiel Assyrer, Babylonier, Perser und Araber, welche sogar in Korrespondenz mit den Ägyptern standen. Obwohl so hohe Gegensätze zwischen diesen Kulturen herrschten, war die Musik dennoch ein Teil dieser Völker. Wichtig für diese Kunstform ist besonders die Zeit des Islams, weil die Araber über viele Jahrhunderte den nahen Osten beherrschten. Hauptsächlich nahm man persisches Gedankengut, welches durch das Schrifttum vor Vergessenheit bewahrt wurde, in die arabische Kultur auf. Dies wirkte sich wesentlich auf die Kunst und natürlich auf die Musik aus.

In der vor- und frühislamischen Zeit wurde lediglich nur eine Musikform, nämlich der Qiyangesang, ausgeübt. Der Qiyan war der Sänger eines arabischen Volksliedes, das die verschiedensten Themen beinhaltete. Dieses Genre entwickelte sich aus der nomadischen Stammesdichtung. Es war also stets üblich ein Gedicht mit Musikbegleitung vorzutragen.Bedeutend ist auch die andalusische Musik, die bis heute Einfluss auf die spanische hat. Die Unterhaltung stand hierbei aber nicht immer im Vordergrund. Im alten Arabien wurde sie auch für die Heilung von Geisteskranken und zur Linderung von Fieber und Schmerzen verwendet. Diese medizinischen Praktiken wurden später von den Osmanen übernommen.

Die ursprüngliche Musik der Araber ist monophon. Es wird nur eine Melodie vorgegeben, die sich in verschiedenen Variationen wiederholt. Die Musiker verarbeiten, verfeinern und erfinden sie sozusagen neu. Hierbei ist zu erwähnen, dass im Gegensatz zur abendländischen Musik, sehr viel Wert auf Improvisation gelegt wird. Die Länge eines Musikstücks ist somit nicht vorgegeben. Durch das variieren und wiederholen der Melodie, kann bei den Zuhörern plötzlich bestimmte Emotionen hervorgerufen werden, was zu regelrecht schlagartigen Gefühlsausbrüchen führen kann. Diese Empfindung bezeichnet man als „Tarab“.
Der arabische Schriftsteller Ahmed Faris Al-Shidyaq beschrieb in seinen Reisen durch Europa die Unterschiede zwischen westlicher und orientalischer Musik. In seinen Aufzeichnungen schilderte er, dass das europäische Publikum anders auf Musik reagiere, als das Arabische. Eine weitere Form des Tarab ist der sogenannte Trancezustand der sufistischen Musik. Die Sufimusik wird meist von islamischen Mystikern praktiziert. Diese und der daraus resultierende Zustand, sollen die Verbundenheit zu Gott fördern. Solch eine meditative Empfindung wird in der sufistischen Lehre auch als „Dhikr“, was soviel heißt wie Gedenken (an Gott), bezeichnet. Das Ausschlaggebende der orientalischen Musik sind jedoch nicht ihre Typen und Formen, sondern das Tonsystem, nach dem man sich orientiert. Man spricht hier von dem sogenannten Maqam. Auf ihm beruht die gesamte morgenländische Musiktheorie.

Der Maqam – Einblick in die morgenländische Musiklehre

Der Maqam ist ein Modus, der aus einer heptatonischen Tonleiter besteht. Diese setzt sich aus zwei Tongruppen zusammen, die man als „ğins“ bezeichnet. Ağnās (Plural von ğins) sind ein Paar von drei bis fünf Tönen. Also Tri-Tetra oder Pentachorden.
In der orientalischen Musiklehre unterscheidet man zwischen Unterğins und Oberğins, die den gesamten Maqam umfassen. Der Oberğins stellt die Verbindung zu einem anderen Maqam her. Insbesondere ist er für die Modulation wichtig. Des weiteren besteht die arabische Musik nicht nur aus Ganz- und Halbtönen, sondern auch aus Vierteltönen, welche ein großes Charakteristikum für die orientalische Musik sind. Vierteltöne werden in der europäischen Notation mit einem durchgestrichenen b gekennzeichnet. Viele Maqamat können daher nicht auf alle westlichen Instrumente gespielt werden, weil diese, im Gegensatz zu den Orientalischen, gleichmäßig chromatisch gestimmt sind. Es gibt hunderte von Maqamat, welche in sogenannte „Familien“ eingeteilt sind. Hier folgen ein paar Beispiele (sh. nächste Seite) Anhand der Grafik kann man den Tetrachord Rast (Unterğins) und den Trichord Sikah (Oberğins) erkennen. Die erste Note des oberen ğins ist die Dominante. In diesem Fall Eb. Es ist hier offensichtlich, dass zwischen dem Maqam Rast und dem Maqam Sikah eine Verbindung besteht. Der Modus Rast enthält den Trichord des Sikah Maqams, welcher mit E(/b) beginnt. Durch diesen lässt es sich in den Maqam Sikah modulieren.
Bei dem Maqam Sikah angelangt kann man selbstverständlich wieder nach Rast C zurückkehren, oder durch den oberen Tetrachord, zu dem Maqam Nahawand mit Tonika G modulieren bzw. zu dem Maqam Farahfaza, welcher zu der Familie der Nahawand Maqamat gehört.
Eine Melodie kann man also stetig weiterentwickeln und neue Tonebenen entdecken. Die musikalische und vor allem melodische Entfaltung hat daher scheinbar keine Grenzen. Das arabische Tonsystem wurde u.a. auch in die türkische und aserbaidschanische Kunstmusik übernommen. Man spricht daher auch von Makamlar oder Muğam.

Notenbeispiel 1: Maqam „Rast“ auf Tonika C

Notenbeispiel 1: Maqam „Rast“ auf Tonika C

 

Notenbeispiel 2: Maqam „Sikah“ auf Tonika G

Notenbeispiel 2: Maqam „Sikah“ auf Tonika G

 

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Notenbeispiel 3: Maqam „Farahfaza“ auf Tonika G

 

Instrumente

Al Oud ist ein arabisches Saiteninstrument und ein ferner Vorfahre der Gitarre. Die Saitenzahl und deren Stimmungen variieren von Land zu Land. Der Ursprung dieses Instrumentes liegt vermutlich im alten Persien, das dann in die arabische Welt gelangt ist. Die Oud spielt immer eine wichtige Rolle in einem arabischen Musikensemble und gilt als das bedeutendste Instrument der arabischen Musik. Die Rababa ist ebenfalls ein Saiteninstrument, das mit einem Bogen gespielt wird. Sie ist ebenfalls ein fester Bestandteil des orientalischen Ensembles. Weitere Instrumente sind noch der Kanoun, der Santur, der Imzad der Chitarrone und natürlich perkussive Instrumente wie der Rizq oder die Daf.

Die Oud

Die Oud

Die Rabada

Die Rabada


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Zeichnungen von Eimen Abdin)

Orientalische Musik heute

In der modernen orientalischen Musik ist der europäische Einfluss deutlich erkennbar. Man übernahm großteils die westliche Harmonik in die arabische Musik und schuf somit neue Wege für diese Kunst. Revolutionär waren auf jeden Fall aserbaidschanische Komponisten wie Qarayev oder Amirov, die westliche Elemente mit orientalischen Rhythmen und Melodien hervorragend kombinierten. Die aserbaidschanische klassische Musik wurde insbesondere von russischen Einflüssen geprägt. Dadurch entstand eine Vorliebe zu europäischen Orchestermusik, welche man mit heimischen und orientalischen Klängen ausschmückte.
Ein weiterer moderner Vertreter ist der syrische Pianist und Komponist Malek Jandali. Die älteste Notation der Welt aus der antiken Stadt Ugarit in Syrien wurde von ihm in die westliche Notation arrangiert. Somit genießt er einen hohe internationalen Bekanntheitsgrad und gilt als einer der größten arabischen Musiker unserer Zeit.
Immer wieder finden arabische Klänge und Modi auch in der Jazz-und Fusionmusik ihre Verwendung. Dies lässt sich auf den maßgeblichen Improvisationsfreiraum zurückführen, wie er auch in der arabischen Musik vorhanden ist. Die Kunst ist also ständig im Wandel. In der Musik finden wir immer wieder Einflüsse und Elemente aus fremden Kulturen, die uns stets überraschen und verzücken. Dies ist sicherlich als positive Entwicklung zu betrachten. Denn obwohl es soviel verschiedene ästhetische Vorstellungen gibt, ist diese Kunstforum für jeden Menschen nachvollziehbar. Musik gehört somit nicht nur den östlichen oder westlichen Kulturen. Musik ist international und ein Teil der menschlichen Natur. Sie gehört den Menschen.

Von Ramy Abdin