Adolph_HenseltKlaviervirtuose, Komponist und Musikpädagoge, so die Beschreibung im Lexikon Musik in Geschichte und Gegenwart. Zu seinen Lebzeiten wurde er von Kritikern im gleichen Atemzug mit Liszt und Chopin genannt, ja er galt sogar als „deutscher Chopin“. Robert Schumann bezeichnete ihn in seinem Tagebuch 1836 als „Gott am Clavier“. Er pflegte gute Freundschaften mit Liszt, Robert und Clara Schumann und war schon als junger Musiker sehr erfolgreich. Doch wie kann es sein, dass Henselt nur noch Wenigen bekannt ist und seine Kompositionen gar nicht oder kaum gespielt werden? Eine kurze Darstellung seines Lebens soll den fast Vergessenen vorstellen.

Der Pianist

Am 09.05.1814 in Schwabach (südlich von Nürnberg) geboren lernte er zunächst Geige, später dann Klavier bei Emanuel Lasser in München. Josepha von Flad nahm sich Anfang 1827 Adolph Henselts an und gab ihm von nun an Klavierunterricht. Es dauerte nicht lange, bis er sein erstes öffentliches Konzert im Odeon in München gab. 1831 erhielt er ein Stipendium für das Klavierstudium bei J.N. Hummel in Weimar. Dort lernte er auch Clara Wieck kennen. Nach einem öffentlichen Konzert in Weimar 1832 reiste er im Winter dieses Jahres entschlossen zum Klavierstudium nach Wien ab. Sehr ehrgeizig betrieb der junge Henselt aufwändige Dehnübungen und erreichte damit eine außergewöhnliche Spannbreite seiner Hände. Er übte monatelang täglich 8-10 Stunden und perfektionierte so seine Klaviertechnik. Kurze Zeit später begann er ein zweijähriges Kompositionsstudium bei Simon Sechter (dieser war unter anderem auch Kompositionslehrer von Franz Schubert). In den Jahren 1836-1838 trat er eine Konzertreise in Deutschland an.

Viele Kritiker lobten ihn als den größten Pianisten seiner Zeit und zählten ihn neben Liszt und Thalberg zu den drei großen Pianisten der Romantik. Am 24.1.1838 gab Henselt ein Konzert in Warschau, kurze Zeit später kam er in St. Petersburg an. Bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitete er sich also den erfolgreichen Beginn einer Pianistenkarriere. Doch bereits 1838, nur zwei Jahre nach seinem großen Durchbruch, beendete er seine Virtuosenlaufbahn.

Es stellt sich die Frage, wieso ein damals so gefragter Pianist seine Konzerttätigkeit abbrach. Nach seinem Klavierstudium in Wien rieten ihm Ärzte eine Erholungspause einzulegen, Henselt aber trat seine anstrengende, jedoch sehr erfolgreiche Konzertreise durch Deutschland an. Schon damals war er bekannt dafür, ein eher unausgeglichener Mensch zu sein, leicht reizbar und erregbar. Dies verstärkte sich im Laufe seiner Konzertreise immer mehr. Folgen dieser Charaktereigenschaften äußerten sich darin, dass er mit seinem Spiel nie zufrieden und mit sich sehr streng war. Henselt, so Robert Schumann, bezeichnete sich selbst als „elendsten Spieler“ und er sagte über sich selbst:

„Ich habe immer schlecht gespielt, und die Kritik ist immer über mich hergefallen. Einmal habe ich wirklich gut gespielt, doch dann hat man mich noch mehr ausgeschimpft.“1

Julius Kapp berichtet, dass „er [Henselt] beim Öffentlich-Spielen ungemein nervös und schon Tage zuvor krank vor Aufregung“ war. Weiter schreibt er: „…am Abend selbst, konnte er kaum die weißen von den schwarzen Tasten unterscheiden.“2 In einem Brief 1838 schreibt Felix Mendelssohn-Bartholdy an seine Schwester: „Henselts Spiel hat mir ganz eminent gefallen, aber ich bezweifle, dass er ordentlich weiter kommt; das ganze Wesen ist zu kleinlich und ängstlich dazu.“ Seine Konzerttätigkeit ganz aufzugeben, war Henselt doch unmöglich. So spielte er in Hauskonzerten, trat weiterhin in Salons und vielen Lehranstalten auf. Doch auch im kleinen Kreis hatte er Schwierigkeiten, seine Aufregung zu überwinden. „Nach Berichten von Zeitgenossen hat ihn jedes fremde Gesicht gestört.“3

Der Pädagoge

Henselt ließ sich in Russland nieder und widmete sich ganz der Klavierpädagogik. 1838 gab er Klavierunterricht in der Lehranstalt für Recht in St. Petersburg. Er orientierte sich dort hauptsächlich an älterer Musik. Seine Privatschüler, die eine spätere Konzerttätigkeit anstrebten, unterrichtete er in einem vielseitigeren Programm. So erlernten seine Schüler unter anderem Werke Beethovens, Mendelssohn-Bartholdys, Etüden von Franz Liszt und auch russische Volkslieder.

Berichten von Henselts Schülern und Schülerinnen ist zu entnehmen, dass ihm der künstlerische Vortrag im Unterricht sehr wichtig war. So spielte er seinen Schülern die zu lernenden Stücke selbst vor. Außerdem legte er besonderen Wert darauf, systematische Übungen auf der stummen Klaviatur zu spielen, ganz im Gegensatz zu seinem Freund Robert Schumann, der der Meinung war, dass man „von einem Stummen nicht sprechen lernen kann!“.4 Später vernachlässigte er die Benutzung der stummen Klaviatur in seiner weiteren pädagogischen Tätigkeit.

Besonders wichtig war ihm auch das Spiel zu 4 Händen, so fertigte er später Bearbeitungen für zwei Klaviere der Etüden Cramers und anderer Werke und Komponisten an. Nach seinem letzten öffentlichen Konzert 1854 wurden in einer Rezension auch seine pädagogischen Verdienste als Musiker geehrt. Er übte in St. Petersburg großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Musikpädagogik in Russland aus. Im Laufe der Jahre unterrichtete er an verschiedenen Instituten (unter anderem am Prinzessin Therese von Oldenburg-Institut und am Smolnyj-Institut) und veröffentlichte verschiedene klavierpädagogische Schriften.

Henselt war es sehr wichtig, die Musikausbildung zu stärken, er forderte die intensive Ausbildung im Chor- und Sologesang als Vorstufe des Erlernens eines eigenen Instruments. Außerdem veröffentlichte er viele pädagogische Lehrbücher, unter anderem 1881 „Die hohe Schule des Klavierspiels“, erschienen bei Schlesinger, Berlin. 1887 wurde Henselt Professor für Klavier am Konservatorium in St. Petersburg.

Henselts Freundschaften mit Liszt und Robert und Clara Schumann

Liszt besuchte St. Petersburg im Jahre 1842, wo er Henselt traf. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Musikern: Sie widmeten sich gegenseitig Werke (so ist beispielsweise Liszts Großes Konzertsolo Henselt gewidmet) und führten diese in Konzerten auf. Es ist auch bekannt, dass Liszt kein Konzert Henselts verpassen wollte und sein Spiel sehr schätzte.

Außerdem teilten sie eine gemeinsame Vorliebe für Weber. In einem Beitrag, der in der Zeitschrift Bajan veröffentlich wurde, wird berichtet, dass Liszt Henselt dazu überredet haben soll, seine Konzerttätigkeit nicht zu beenden. Henselt lernte Clara Schumann (damals noch Wieck) schon im Oktober 1836 kennen und auch Robert Schumann erwähnte Henselt Ende dieses Jahres in seiner Neuen Zeitschrift für Musik und bezeichnete ihn als „gewaltigen Klavierheros“.

Auch in den Folgejahren schrieb Robert Schumann in der NZfM viele Artikel über Henselt und lobte ihn in den höchsten Tönen. 1844 spielten Clara Schumann und Adolf Henselt das Andante und Variationen für 2 Klaviere von Robert Schumann. Clara Schumann nahm einige Kompositionen Henselts in ihr Konzertprogramm auf.

Henselt als Komponist

Das wohl bekannteste Werk Henselts ist das Klavierkonzert in f-moll op.16. Das schon 1839 begonnene Werk vollendete er schließlich 1845, nachdem er bei Robert Schumann Rat bezüglich der Orchestrierung gesucht hatte. Laut Schumann fiel ihm das Orchestrieren nicht so leicht. Das Konzert wurde 1845 in Leipzig mit Clara Schumann uraufgeführt, hatte jedoch anfänglich keinen Erfolg. Auch heute gilt es als sehr schwieriges Werk, wird selten aufgeführt und ist nur Wenigen bekannt. Henselts frühe Werke, wie beispielsweise die Etüden op. 2 oder Poëme d´amour op.3 waren sehr erfolgreich und verbreiteten sich schnell.

Seine frühen Werke zeugen von innovativem Charakter. Ein großer Teil seiner Kompositionen sind Klavierwerke, er schrieb jedoch auch viele Bearbeitungen fremder Werke und Übungsliteratur, die er unter anderem auch für seine pädagogischen Tätigkeiten gebrauchte.

Trotz der geringen Bekanntheit Henselts in unserer Zeit gibt es einige Musikwissenschaftler, die sich mit seinem Leben und Werk auseinandersetzen. Als ein Beispiel sei die Internationale-Adolph-Henselt Gesellschaft in Schwabach, seinem Geburtstort, genannt. Dort wurde auch die Musikschule nach ihm benannt, sowie ein Denkmal Henselts errichtet. Immer häufiger finden seine Werke Eingang in die Konzertprogramme.

Von Daniela Fietzek


1 Natalia Keil-Zenzerova, Adolph von Henselt, Ein Leben für die Klavierpädagogik in Russland in: Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXVI Musikwissenschaft, Band 249, Frankfurt am Main 2007, S. 109
2 Keil-Zanzerova, a.a.O., S. 6.
3 Keil-Zenzerova, a.a.O., S.63.
4 Keil-Zenzerova, a.a.O., S. 109