Auf Dich, Herr, habe ich vertraut! In te Domine speravi!

Anton Bruckners Te Deum als Bekenntnis seines Glaubens

Wenn über die Verbindung von Religion und Musik gesprochen wird, dann fällt der Name Anton Bruckner fast zwangsläufig. Bei kaum einem Komponisten der Romantik hat der Glaube so starken Widerhall in dessen Werk gefunden. Schon von Zeitgenossen wurde Bruckners gelebter Katholizismus meist kopfschüttelnd belächelt.1

Auch heute noch, wenn Bruckner als naiver, etwas weltfremder Menschen dargestellt wird, rekurriert man gerne auf seinen Glauben und hat somit einen scheinbar schlagkräftigen Beweis für diese Argumentation. Ich möchte hier aufzeigen, dass dies eine, in meinen Augen, zutiefst falsche Herangehensweise ist, dass ganz im Gegenteil erst sein Gottvertrauen Bruckner die antonbrucknerinnere Freiheit für die Erschaffung seiner Werke verliehen hat . Unmittelbaren Anlass zu diesem Artikel gab mir ein Konzert, bei welchem ich im Herbst 2011 mitgewirkt habe. Als Chorist durfte ich eine Aufführung von Bruckners 9. Sinfonie und seinem Te Deum zu Ehren von Papst Benedikt XVI. im Vatikan mitgestalten.

Es war ein ganz außergewöhnliches Erlebnis das Werk eines Komponisten an einem Ort aufzuführen, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem steht, was der Schöpfer des Werks zutiefst empfunden und geglaubt hat. Im Anschluss an das Konzert zitierte der Papst in seiner kurzen Ansprache den Dirigenten Bruno Walter, welcher gesagt haben soll, dass Gustav Mahler Gott zeitlebens gesucht habe, währenddessen Anton Bruckner ihn gefunden habe. Dies war für mich Grund für eine eingehendere Befassung mit Bruckner und seinem Verhältnis zum Glauben. Schon bei der vorhergehenden Beschäftigung mit dem Te Deum Bruckners war mir aufgefallen, wie verwurzelt das Stück in Bruckners katholischem Glauben ist.

Davon legt nicht allein der beeindruckende Text selbst Zeugnis ab, sondern vor allem auch der Umgang in der musikalischen Umsetzung und der Bedeutung und Stellung des Te Deum innerhalb von Bruckners Œuvre. Als Beleg hierfür mag insbesondere dienen, dass Bruckner noch auf dem Totenbett verfügt haben soll, dass anstelle des unvollendeten vierten Satzes seiner 9. Sinfonie das Te Deum gespielt werden solle.2 Zunächst soll es in diesem Artikel daher um die Religiosität Bruckners allgemein und ihrem speziellen Niederschlag in seiner Vertonung des Te Deum gehen.

Die Religiosität Bruckners

Von Kindheit an spielte die Religion eine entscheidende Rolle im Leben Bruckners, der praktizierte Katholizismus war für ihn selbstverständlich. Für sein Hineinwachsen in Musik und Glaube war sicherlich seine Zeit als Sängerknabe im oberösterreichischen Augustiner-Chorherrenstift St. Florian von großer Bedeutung. Bevor Bruckner dann seinen Durchbruch als Komponist feierte, war er schon lange Jahre als Organist, Chorleiter und Lehrer tätig gewesen. Bruckner fasste sein musikalisches Schaffen immer als Bekenntnis und seine Kompositionsgabe als Geschenk Gottes auf.3 Dies verdeutlicht sich auch darin, dass Bruckner gleich Johann Sebastian Bachs soli deo gloria, eine religiöse Wendung zu seinen vollendeten Werken hinzuzufügen pflegte, hierbei handelte es sich meist um das Motto des Jesuitenorden: omnia ad maiorem dei gloriam (alles zur größeren Ehre Gottes). Für Bruckner war der Katholizismus keine Strömung, der er aus bloßer ästhetischer Neigung anhing, sondern aus der tiefen Gewissheit um Gottes liebende Führung.4 Damit stand er mitunter in diametralem Gegensatz zum Künstlerbild seiner Zeit. Ein Künstler, dessen oberste Prioritäten durch Gebet, Kommunionempfang, Beichte und Fasten vorgegeben waren, konnte nur auf Widerspruch der Zeitgenossen stoßen.

Bruckners Lebensstil war geprägt von geradezu mönchischer Einfachheit und stetem Streben nach Kontemplation. Hierzu gehörte mehrfaches Beten am Tag, das er gewissenhaft in seinem Kalender aufzeichnete. Seine bevorzugten Gebete waren, das Vater Unser, das Ave Maria und das Salve Regina. Dies erinnert an die Regularien für augustinische Laienbrüder, also Nichtpriester, die des Lateins nicht mächtig waren und daher nicht am Stundengebet teilnahmen sondern ersatzweise etwa den Rosenkranz beten sollten.5 Die Lebensweise der Augustinusregel war Bruckner ja seit seiner Zeit in St. Florian vertraut. Es wird auch immer wieder spekuliert, dass Bruckner religiöse Visionen gehabt haben soll, besonders am Karfreitag, und dass sein Glaube manche Zwangsvorstellungen, unter denen Bruckner teilweise litt, befördert habe.6 An dieser Stelle wird gerne Johannes Brahms zitiert, der von Bruckner gesagt haben soll, dass es sich bei ihm um einen armen verrückten Menschen handle, den die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen hätten.7

Dieser Hinweis entbehrt zwar nicht jeder Grundlage, allerdings kann man dem mit Recht entgegenhalten, dass es Bruckners gelebter Glaube war, der ihn befähigte seine kompositorischen Fähigkeiten voll auszuschöpfen und über Zeiten der Krise und Anfeindung hinweg zu kommen. Diese Dankbarkeit brachte Bruckner nicht nur in der 9. Sinfonie zum Ausdruck, die er „Dem lieben Gott“ widmete, sondern auch in verschiedenen Vertonungen von Psalmen und des Messtextes.

Das Te Deum

Eine herausragende Rolle spielt hierbei eben auch Bruckners Te Deum, das er aus Dankbarkeit für die überstandenen Leiden in Wien komponierte.8 Das Te Deum selbst, das auch als ambrosianischer Lobgesang bezeichnet wird, ist ursprünglich Teil des Stundengebets der Kirche. Es wird nach dem zweiten Responsorium der Lesehore, der früheren Matutin, an Sonntagen, Festen und Hochfesten gebetet.9 Die Entstehung des Textes ist nicht restlos geklärt, der Überlieferung zufolge wurde der Gesang durch den Hl. Ambrosius von Mailand und den Hl. Augustinus von Hippo geschaffen. Als Ambrosius Augustinus taufte, soll der Täufling einen Lobgesang angestimmt haben, auf welchen Ambrosius geantwortet habe, hierbei soll es sich um das Te Deum gehandelt haben.Mitunter wird aber auch der Hl. Hilarius von Poitiers als Autor vermutet. Seit dem 6. Jh. ist der Text bezeugt, er entstand aber möglicherweise schon im 4. Jh. Im Laufe der Geschichte wurde der Text des Te Deums augustinus_taufezunehmend zu feierlichen Anlässen, etwa Krönungen oder Bischofsweihen vertont. Sehr bekannt ist hier die Vertonung des Te Deum in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier, die noch heute regelmäßig bei Eurovisions-Sendungen im Fernsehen gespielt wird. Ebenfalls sehr bekannt ist das Kirchenlied Großer Gott wir loben Dich, in dem Ignaz Franz den Text des Te Deums verarbeitete.

Der Text gliedert sich in drei Teile, zunächst der Lobpreis Gottvaters (Z. 1-13), dann der Lobpreis Jesu Christi in Verbindung mit Fürbitten (Z. 14-21) und mündet dann in lobpreisende Psalmverse (Z. 22-29). Die Vertonung Bruckners entstand zwischen 1881 und 1884 inmitten seines sinfonischen Schaffens. Nach Vollendung der 7. Sinfonie nahm er sich wieder das Te Deum vor und schloss die Arbeit daran am 7.März 1884 ab.10 Eine erste öffentliche Aufführung fand am 2. Mai 1885 in einer überarbeiteten Fassung, in welcher zwei Klaviere den Orchesterpart übernahmen, in Wien statt. Die eigentliche Uraufführung erfolgte unter der Leitung von Hans Richter am 10. Januar 1886, ebenfalls in Wien und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.

Das Werk ist in fünf Teile untergliedert und erfordert einen großen Chor, vier Solisten, sowie großes Orchester und Orgel. Das Stück changiert zwischen Momenten innigster Andacht und solchen grenzenlosen Jubels. Durch die Verwendung von Stilmitteln aus verschiedensten Epochen wird dem Werk eine große Vielschichtigkeit verliehen. So stehen Anleihen aus der Gregorianik neben romantischer Harmonik. Dies sei an einigen Stellen verdeutlicht. Zum Beispiel wenn der Chor ab Takt 146 a capella und geradezu engelsgleich das „aperuisti credentibus regna coelorum“ singt, also dass Jesus Christus den Gläubigen das Himmelsreich erschlossen habe.Am eindrücklichsten scheint hier der letzte Teil, das „in te domine speravi, non confundar in aeternum“. Die Musik strahlt eine unglaubliche Gewissheit um die Geborgenheit in Gott aus und die alles überstrahlende Hoffnung ewig nicht zu Schanden zu werden, die sich ganz zum Schluss in reinem C-Dur Bahn bricht. Dies wirkt geradezu wie die Quintessenz von Bruckners Leben, das tiefe Vertrauen auf Gott und die Vorfreude auf das ewige Leben.

Das Te Deum sorgte für eine rasche Steigerung der Bekanntheit Anton Bruckners und ist mitverantwortlich für seinen Ruhm. Als besonderer Verehrer ist Gustav Mahler bekannt, welcher sich auch sehr für die Verbreitung des Werks einsetzte.11 Mit Recht wird über das Te Deum gesagt, dass „seine Würde, die Macht der Glaubensgewissheit und die Bitte um Erlösung […]bis heute fort [wirken].“12

Abschließende Betrachtung

Zu Bruckners Verständnis von Musik und Religion gäbe es freilich noch viel mehr zu sagen, allerdings scheint mir die exemplarische Betrachtung anhand seines Te Deums sehr gut geeignet die Grundlinien aufzuzeigen. Er selbst bezeichnete sein Te Deum als den „Stolz meines Lebens“13, eben einerseits als herausragendes Werk und anderseits als überschwänglichen Dank an seinen Herrgott. Es ist ein eindrucksvolles Zeugnis von Bruckners auf den ersten Blick geradezu kindlich anmutenden Gottvertrauen, das aber nie kindisch war. Dem modernen Menschen kann ein solch tiefes Vertrauen manchmal geradezu unheimlich erscheinen und doch faszinieren. Wer kann von sich behaupten, so uneingeschränkt zu vertrauen? Beim Hören des Te Deums wird deutlich, dass Gottvertrauen manchmal auch ein Ringen und die Suche nach Gott eine Lebensaufgabe ist, aber dass am Ende doch die Hoffnung auf das Reich, das nicht von dieser Welt ist, obsiegt.

Von Martin Holzmann


1 Vgl. Floros, Constantin: Anton Bruckner – Persönlichkeit und Werk, Europäische Verlagsanstalt, 2004, Hamburg, S.74
2
Vgl. Dgl., S.206 f.
3
Vgl. Dgl., S.85
4
Vgl. Dgl., S. 73
5
Vgl. Floros, S.75
6
Vgl. Dgl., S. 74
7
Vgl. Dgl., S.74
8
Vgl. Dgl., S. 111
9
Vgl. Kleines Stundenbuch, Advent und Weihnachtszeit, Herder, 2010, Freiburg im Breisgau, S. 525
10
Vgl. Christiane a Campo, Vorwort zum Klavierauszug von Bruckners Te Deum, Edition Peters, Frankfurt am Main u.a. Vorwort
11
Vgl. Floros, S. 117
12
Christiane a Campo, Vorwort
13
Vgl. Dgl.