Gustav Mahler-Interpretationen seiner WerkePünktlich zum Mahler-Jahr 2011 erschienen vor wenigen Monaten diese Interpretationen in zwei Bänden. Im Vergleich mit der herkömmlichen Mahler-Literatur lässt sich eine besondere Stellung dieses Werkes gleich zu Beginn ausmachen: Sämtliche Werke Mahlers, angefangen von den unvollendeten Jugendwerken bis hin zur fragmentarischen Zehnten Symphonie, werden von verschiedenen Autoren besprochen.

Für jeden einzelnen Beitrag wurde der benötigte Raum geschaffen, weswegen beide Bände zusammen beinahe 1000 Seiten fassen. Die Länge spricht für die Ausführlichkeit und die angestrebte Vollständigkeit der Werkbesprechungen. Die Gliederung erfolgt chronologisch. Jedem Kapitel werden Informationen zur Entstehungszeit, der Besetzung, den Autographen, den Druckausgaben etc. tabellarisch vorweg gestellt. Inhaltlich weichen die Gliederungen autorenbedingt leicht voneinander ab. Zumeist wird ein Kapitel mit einer Erläuterung der Entstehungsgeschichte eines Werkes eingeführt, bevor die analytische Betrachtung folgt.

Zu den Analysen

Eine Analyse sollte dem Leser einen tieferen Einblick in ein Werk verschaffen. In den Mahler-Interpretationen werden neben dem Versuch, dies mit Genüge zu leisten, oftmals bereits früher versuchte analytische Herangehensweisen und Methoden anderer Musikwissenschaftler und Theoretiker vorgestellt, die mitunter ganz gegensätzlich ausfallen können. Mit detaillierten Quellenangaben wird der Leser auf die entsprechende Fachliteratur hingewiesen. Eine Beurteilung angeführter Kriterien wird zu großen Teilen dem Leser überlassen; eine ungewöhnliche, aber sehr positiv zu bewertende Vorgehensweise.

Der Hauptschwerpunkt der einzelnen Kapitel liegt aber auf den Werkanalysen, die anschaulich und mit großer Genauigkeit, mit akribischer Aufzählung von Taktzahlen und grafischen Ausschnitten aus dem entsprechenden Notentext in die einzelnen Werke einführen. Die detaillierte Beschreibung von musikalischen Bewegungen (z.B. Fortschreitungen in der Melodik, motivische Zusammenhänge, rhythmische Strukturen etc.) wirkt als solche durchgehend überzeugend. Lediglich bei fachübergreifenden Termini (z.B. auf dem Gebiet der Philosophie) erscheinen manche Begriffe nicht klar genug abgegrenzt. Darunter fallen gerade solche, die früher bereits einen sehr unterschiedlichen Gebrauch fanden, beispielsweise der Begriff der Metaphysik. Eine Rechtfertigung der Verbindung solcher Begriffe mit musikalisch-formalen Aspekten erfolgt oft nicht, vielmehr werden die Begriffe verwendet, als sei ihre Bedeutung a priori ersichtlich. Gerade bei einer Häufung solcher Begriffe in kurzen Abständen kann nicht nur der musikwissenschaftlich Bewanderte verwirrt werden.

Dies ist aber ein allgemeines Phänomen, das oft auftritt, wenn Ausflüge in andere Gebiete der Geisteswissenschaften vorgenommen werden. Dem Leser sei nicht nur für dieses Werk ein kritischer Blick angeraten, um Richtigkeit und Deutlichkeit in der Verwendung der Begriffe beurteilen zu können. Da bei den hier vorgelegten Analysen ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz sowie Genauigkeit an den Tag gelegt wird, kann sie für Mahler-Interessierte sowie für eigene Arbeiten zu Gustav Mahlers Werken eine fundierte Grundlage bilden. Für das schnelle Informieren, sozusagen als kurze Einführung, ist das Buch nicht konzipiert, da die Autoren Ausführlichkeit und dafür eine viel höhere Informationstiefe als in vielen anderen Werken der Mahler-Literatur anstrebten. Mit diesen Attributen kann das Werk einen besonderen Platz in der Mahler-Literatur behaupten.

Informationen zum Buch

Titel: Gustav Mahler Interpretationen seiner Werke
Herausgeber: Peter Revers und Oliver Korte
Erschienen im Laaber-Verlag im Jahr 2011
ISBN: 978-3-89007-045-2
Preis: 178 € (Quelle: Laaber-Verlag)

Von Alexander Fischerauer